Zunahme von Tuberkulose-HIV-Koinfektionen in Europa um 40%
Weitere Auskünfte erteilt:
Cristiana Salvi
Kommunikationsreferentin
Abteilung Gesundheitliche Notlagen und übertragbare Krankheiten
WHO-Regionalbüro für Europa
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E-Mail: salvic@who.int
Pressebüro des ECDC
Tel.: +46 (0) 8 58 60 16 78
E-Mail: press@ecdc.europa.eu
Gemeinsame Pressemitteilung
Kopenhagen und Stockholm, 20. März 2017
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und das WHO-Regionalbüro für Europa haben heute aus Anlass des Welt-Tuberkulose-Tages bekanntgegeben, dass zwischen 2011 und 2015 in den 53 Ländern der Europäischen Region ein Rückgang der Neuerkrankungen und Sterbefälle um jährlich 4,3% bzw. 8,5% zu verzeichnen war. Allerdings konnten Menschen mit HIV, Gefängnisinsassen und Migranten, die allesamt anfälliger für eine Tb-Infektion sind, von diesem Trend nicht profitieren. So stieg auch die Zahl der Koinfektionen im gleichen Zeitraum um 40%. HIV-Tests für Menschen mit Tb bzw. Tb-Tests für Menschen mit HIV sowie schnell einsetzende Beratung und Behandlung könnten diesen negativen Trend umkehren.
„Das Aufflackern der Tb/HIV-Koinfektionen zwischen 2011 und 2015 sowie die anhaltend hohen Raten resistenter Formen gefährden alle Fortschritte auf dem Weg zur Eliminierung der Tuberkulose bis 2030, die das gemeinsame Ziel der politischen Führung Europas und der gesamten Welt ist,“ sagt hierzu die WHO-Regionaldirektorin für Europa Dr. Zsuzsanna Jakab. „Jede dritte Person mit einer Tb/HIV-Koinfektion erkennt ihre Lage nicht rechtzeitig und hat daher dramatisch schlechtere therapeutische Aussichten. Das führt zur weiteren Ausbreitung dieser Krankheiten und zu enormen Belastungen für Gesundheitssystem und Gemeinwesen.“
Wie in der Europäischen Region der WHO insgesamt, so sinkt auch in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum (EU und EWR) die Zahl der neuen Tuberkulosefälle seit 2002 kontinuierlich. Allerdings verfehlen EU und EWR mit einem jährlichen Rückgang um 5% das gesteckte Ziel von 10%, das eine Voraussetzung für das Erreichen des Eliminierungsziels ist.
Der Europäische Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis versichert: „Die Europäische Kommission ist entschlossen alle verfügbaren Instrumente einzusetzen, mit Hilfe derer die Mitgliedstaaten der EU Verpflichtungen fristgerecht einlösen können, die sie auf globaler Ebene und in internationalen Foren übernommen haben. Tuberkulose befällt gerade die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaften, die oft schon mit HIV infiziert sind oder an Virushepatitis leiden.“
„Der generelle Abwärtstrend bei den gemeldeten Tuberkulosefällen ist ermutigend,“ sagte die Geschäftsführende Direktorin des ECDC, Dr. Andrea Ammon. „Doch einige Gruppen profitieren hiervon nicht und wir müssen gerade sie gezielter ansprechen, wenn die der Tuberkuloseepidemie ein Ende bereiten wollen. Die Daten für EU und EWR zeigen eine Erfolgsquote der Behandlungen von Patienten mit Koinfektion unterhalb der globalen Zielvorgabe von 85%. Doch obwohl die Problematik von Tb/HIV-Koinfektionen bekannt ist, wurde 2015 bei zwei von drei Tuberkulosepatienten die wichtige Information über ihren HIV-Status nicht geliefert. Da müssen wir besser werden.“
Tuberkulose und HIV
Tuberkulose ist für Menschen mit HIV eine der häufigsten Todesursachen. Der Anteil der oft tödlich verlaufenden Tb/HIV-Koinfektionen ist in der Europäischen Region in den letzten fünf Jahren von 5,5% auf 9% angestiegen. In einer Region, in der die kumulative HIV-Fallzahl schon 2015 über zwei Millionen betrug, ist dies besonders besorgniserregend.
Nach Schätzungen wurden 2015 von 27 000 zusätzlichen Tb/HIV-Koinfektionen in der Europäischen Region nur etwa zwei Drittel diagnostiziert, nur 5 800 Patienten begannen mit einer antiretroviralen Therapie und von ihnen wurden ungefähr 40% mit Erfolg behandelt. Bei Menschen mit Tb/HIV-Koinfektion verfehlt die Behandlung siebenmal so häufig ihr Ziel und ist das Sterberisiko dreimal so hoch wie bei Menschen, die nur an Tuberkulose erkrankt sind.
Gegenläufig zum Durchschnitt der Europäischen Region war in den Ländern von EU und EWR ein Rückgang der gemeldeten Tb/HIV-Koinfektionen zu verzeichnen (2015 Anteil von 4,6% gegenüber 6% im Jahr 2011). Allerdings meldeten lediglich 19 der Länder aus EU und EWR 2015 Daten über HIV-Koinfektionen und nur von jedem dritten Tuberkulosepatienten in EU und EWR waren diese lebenswichtigen Daten überhaupt bekannt.
Der Aktionsplan Tuberkulose für die Europäische Region der WHO (2016–2020) und die globale Politik der WHO zur Bekämpfung der Tb-HIV-Koinfektion untermauern die Empfehlung, dass die Mitgliedstaaten systematisch HIV-Tests für Tuberkulosepatienten und Tuberkulosetests für Menschen mit HIV sowie Beratung für beide anbieten sollten. Nach einer Diagnose müssen die Betroffenen sofort die antiretrovirale Therapie erhalten und mit integrierten und personenzentrierten Tb/HIV-Angeboten versorgt werden.
Daten zum Ausmaß der Tb/HIV-Koinfektionen und Erkenntnisse über Tb/HIV-Koinfektionen unter bestimmten besonders gefährdeten Gruppen (wie etwa Migranten) sind eine Voraussetzung dafür, dass dies erreicht werden kann. Die derzeit verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass in EU und EWR die Zahl der gemeldeten Tuberkulosefälle unter Bürgern ausländischer Herkunft etwas langsamer zurückgeht (4%) als unter im Land geborenen Bürgern (7%). Dies bedeutet eine große Herausforderung für die Ambition der Länder aus EU und EWR, Tuberkulose in den kommenden Jahren zu eliminieren. Daher sind gezielte Maßnahmen für eine frühzeitige Diagnose und einen allgemeinen Zugang zu kostenloser Behandlung und Versorgung für alle, hierunter Migranten, so wichtig.
Multiresistente Tuberkuloseformen
Die Zahl neuer Fälle von multiresistenter Tuberkulose (MDR-Tb) nimmt weiter zu und jeder fünfte aller Fälle weltweit ereignete sich 2015 nach Einschätzung von Experten in der Europäischen Region. Obwohl der Anteil erfolgreich behandelter MDR-Tb-Patienten 2015 erstmals anstieg, so waren es immer noch nur die Hälfte aller behandelten Patienten, was weit unter den angestrebten 75% liegt.
Die Rate der gemeldeten MDR-Tb-Fälle liegt in EU und EWR seit fünf Jahren unverändert bei 0,3 pro 100 000 Einwohner. Die Erfolgsquote der Behandlungen von MDR-Tb-Patienten ist zwar von rund 30 % im Jahr 2009 auf mittlerweile etwas über 40% gestiegen, ist aber immer noch zu niedrig.