Grußbotschaft von Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa, zum Internationalen Frauentag

8. März 2017

In der Europäischen Region der WHO schuften Frauen für die Gesundheit. Sie sind als Gesundheitspolitikerin, Leiterin, Ärztin, Krankenschwester, Hebamme, Ernährungsfachfrau, Gesundheitsförderin und vieles mehr im Einsatz. Frauen leisten aber auch viel unentgeltliche Arbeit, die über Gesundheit und Wohlbefinden entscheidet, indem sie ältere Familienmitglieder und Kinder versorgen.

Am Weltfrauentag rufen die Vereinten Nationen dazu auf, das Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter unter dem Motto „Planet 50-50 bis 2030“ zu verstärken. Dieser Appell wird in den Regionen und weltweit engagiert aufgenommen. Auch das Rahmenkonzept der Europäischen Region für Gesundheit und Wohlbefinden „Gesundheit 2020“ ruft die Länder in der Region dazu auf, gegen Geschlechtsverzerrungen im Personalangebot des Gesundheitswesens vorzugehen, und das fünfte Ziel für nachhaltige Entwicklung bezweckt die Gleichstellung der Geschlechter und die Emanzipation von Frauen und Mädchen. Zielvorgabe 5.4 fordert ausdrücklich Anerkennung und Wertschätzung für unbezahlte und häusliche Arbeit und die Förderung einer gemeinsam getragenen Verantwortung für diese Arbeit.

Die Zahlen sagen uns, dass in allen Ländern der Europäischen Region Frauen die Mehrzahl der Beschäftigten im Gesundheitsbereich ausmachen. Laut aktueller Statistik sind 52% aller Ärzte in der Region Ärztinnen und ihre Zahl wächst stetig weiter. In einigen Ländern beträgt der Anteil sogar 74%. Doch heißt dies keineswegs, dass die Gleichstellung der Geschlechter innerhalb des Gesundheitspersonals erreicht wäre. Frauen sind in Führungspositionen und prestigeträchtigen Fachbereichen untermäßig, im Niedriglohnbereich jedoch übermäßig vertreten. Aus Studien wissen wir, dass die Struktur des Gesundheitspersonals immer noch von Geschlechtsstereotypen gekennzeichnet ist und dass sich Frauen für einen Berufsweg entscheiden, der ihnen einen Ausgleich zwischen Arbeit und Familie ermöglicht. Nach den vorliegenden Erkenntnissen werden prekäre und schlecht bezahlte Stellen im Gesundheitsbereich insbesondere von Migrantinnen besetzt.

In der Europäischen Region der WHO schuften Frauen für die Gesundheit anderer und manchmal leider auf Kosten der eigenen. Ein kürzlich vom Regionalbüro für Europa vorgestellter Bericht über Gesundheit und Wohlbefinden von Frauen unterstrich, dass Frauen durchschnittlich zehn Jahre in schlechter Gesundheit zubringen. Die Abstände zwischen den Ländern hinsichtlich der Lebenserwartung von Frauen sind frappierend und betragen teilweise bis zu 15 Jahre.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung am Arbeitsmarkt sowie der große Anteil der Frauen an der unentgeltlichen Gesundheitsversorgung haben Folgen für die Gesundheit der Frauen. Zielkonflikte aus der Verantwortung für Arbeit und Familie können sehr belastend sein und sowohl den Berufserfolg als auch die Gesundheit der Frauen beeinträchtigen. Unterbezahlung im Berufsleben führt zu geringeren Pensionsansprüchen, angegriffener Gesundheit und schlechteren Lebensbedingungen für alte Frauen. Diese Ungleichheiten und Hindernisse für Chancengleichheit unter den Geschlechtern sind jedoch keineswegs unüberwindlich. Konzepte zur Schaffung positiver und flexibler Arbeitswelten mit gleichen Berufs- und Karrierechancen werden im Gesundheitsbereich entscheidende Faktoren für eine bessere Anwerbung von Frauen und für ein besseres Festhalten an ihnen sein.

Als Frau an führender Stelle im Bereich der öffentlichen Gesundheit bin ich stolz darauf für eine Region zu arbeiten, in der Gleichstellungsfragen ernst genommen und vorrangig behandelt werden. Im September 2016 nahmen die Mitgliedstaaten die Strategie der Europäischen Region für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen an. Sie enthält Empfehlungen, wie die Gesundheit von Frauen im Gesundheitsbereich und darüber hinaus vorangebracht werden kann. Das Regionalbüro arbeitet eng mit der Hochrangigen Kommission der Vereinten Nationen für Beschäftigung im Gesundheitswesen und Wirtschaftswachstum zusammen, deren Bericht und Empfehlungen zentrale Aspekte hervorhob, wie die Unterstützung der richtigen Beschäftigungspolitik im Gesundheitswesen zu gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen führen kann.
Fortschritte bezüglich der Ziele für nachhaltige Entwicklung hängen davon ab, ob Frauen durch ihre Arbeit ihr volles Potenzial entwickeln können. Als einer der wichtigsten Arbeitgeber für Frauen ist das Gesundheitswesen der richtige Ort, einen Anfang zu machen.