Erklärung – 60 Jahre Zusammenarbeit zwischen der WHO und der Türkei

Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Gesundheitsministerium in Ankara

9. Juli 2020

Sehr geehrter Herr Minister Koka,

sehr geehrte Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Coronavirus!

Guten Abend. Vielen Dank [auf Türkisch] Ihnen allen, die mich so freundlich in Ihrem Land aufgenommen haben. Insbesondere möchte ich Ihnen, Herr Minister Koca, für die herzliche Begrüßung und für den partnerschaftlichen Geist danken, den Sie in unsere Zusammenarbeit einbringen.

Dies gibt mir eine weitere gute Gelegenheit, mich öffentlich bei all jenen Gesundheitsfachkräften, die in der Türkei und in allen Ländern der Europäischen Region an vorderster Linie gegen die Pandemie kämpfen, zu bedanken: für ihre harte Arbeit und ihren unermüdlichen Einsatz, für die Opfer, die sie gebracht haben, und für die Risiken, die sie Tag für Tag auf sich genommen haben, um trotz schwieriger Bedingungen Menschenleben zu retten.

Die Türkei ist das Ziel meiner ersten Dienstreise seit Beginn der Lockerung der durch COVID-19 bedingten Reisebeschränkungen. Tag für Tag, Familie für Familie, Gemeinschaft für Gemeinschaft und Land für Land beginnt für uns allmählich die Zeit nach COVID.

Dazu habe ich drei Botschaften für Sie:

Erstens möchte ich den Menschen in der Türkei und Ihren Behörden für Ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und für Ihre solidarische Haltung bei der Bewältigung gesundheitlicher und humanitärer Notlagen inner- und außerhalb Ihrer Grenzen danken.

Es heißt, eine Krise bringt das Beste und das Schlechteste in uns hervor. Die Menschen in der Türkei haben der Welt ihr Bestes gezeigt und echte Charakterstärke bewiesen, während sie mit den schlimmsten Auswirkungen der Pandemie konfrontiert waren. Sie haben im Buchstaben und im Geist die Maxime, niemanden zurückzulassen, und die Lehre der globalen Solidarität beherzigt.

Sie haben humanitären Geist unter Beweis gestellt, indem Sie allen, einschließlich Flüchtlingen und Migranten, COVID-19-Tests sowie entsprechende Behandlung und Pflege ermöglicht haben. Darüber hinaus hat Ihr Land beispielhaft globale Einheit demonstriert, indem es 138 Ländern und fünf internationalen Organisationen Schutzausrüstung und sonstige materielle Unterstützung für die Bekämpfung von COVID-19 zur Verfügung gestellt hat.

Heute Abend werde ich zusammen mit Herrn Minister Koca eine finanzielle Vereinbarung unterzeichnen, die den Weg zur Eröffnung eines Fachzentrums der WHO für Bereitschaftsplanung für humanitäre und gesundheitliche Notlagen ebnen wird, das für die gesamte Europäische Region zuständig sein soll. Dies zeugt erneut von der tief verankerten Bereitschaft Ihres Landes, auch unter den widrigsten Umständen zum Schutz der Gesundheit beizutragen.

Meine zweite Botschaft lautet: Die Pandemie ist noch nicht vorüber. Wir alle werden wachsam bleiben und gemeinsam darauf hinarbeiten, dass das Virus nicht wieder erstarkt und dass anfällige Gruppen auch weiterhin geschützt bleiben.

Seit April geht aus gemeldeten Daten hervor, dass die Türkei im Kampf gegen COVID-19 das Blatt gewendet und die Fallzahlen und die Zahl der Todesfälle um über 75% gesenkt hat.  Für diese erfolgreiche Trendwende war eine Vielzahl von Einflussfaktoren verantwortlich: die grundlegende Umgestaltung des Gesundheitssystems, die Bereitschaftsplanung für Notlagen, die Entwicklung lokaler Diagnosetests, die Stärkung von Testung, Kontaktermittlung und Behandlung, die örtliche Herstellung von Schutzausrüstung und Belüftungsgeräten, eine Neuordnung des Flugverkehrs, die Beteiligung von Bürgern und die Risikokommunikation.

Jetzt müssen wir weiter gemeinsam anstreben, diese Trendwende aufrechtzuerhalten.

Das Virus ist noch nicht verschwunden. Während die WHO zusammen mit den Mitgliedstaaten, einschließlich der Türkei, darauf hinarbeitet, die Herbeiführung von Verbesserungen in Bezug auf Diagnostik, Behandlung und Impfstoffe zu koordinieren und zu forcieren, müssen wir uns auf das konzentrieren, was bekanntermaßen funktioniert, nämlich räumliche Distanzierung, Handhygiene, Bedecken des Mundes bei Husten, Zuhausebleiben bei Krankheit, das Tragen von Masken, wo erforderlich, und das Beziehen von Informationen aus zuverlässigen Quellen.

Nach Lockerung einiger Maßnahmen Mitte Juni waren in der Türkei ähnlich wie in anderen Ländern anfangs neue Ausschläge nach oben bei Fallzahlen und sogar bei Einweisungen ins Krankenhaus zu verzeichnen. Inzwischen bewegen wir uns wieder in Richtung der zuvor niedrigen Stände, doch gibt es keine Alternative zu Wachsamkeit, Erfolgskontrolle und strenger Einhaltung der Eindämmungsmaßnahmen bei gleichzeitig anhaltender Bereitstellung starker Kapazitäten für Tests, Kontaktermittlung und Behandlung.

Behörden, Partnerorganisationen, Allgemeinbevölkerung und Wissenschaft – gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Lösungsansätze, die es der Türkei ermöglicht haben, erfolgreich die anfänglichen Ausschläge zu korrigieren, müssen daraus gestärkt hervorgehen, denn die Pandemie bedroht weiter die gesamte Welt. Wir müssen die tiefe Bedeutung der Aussage verinnerlichen, dass niemand sicher ist, bis alle sicher sind.

Ferner müssen wir bereit sein, uns mit den hohen Risiken vor allem für ältere Menschen auseinanderzusetzen, wenn im Herbst die Grippesaison beginnt. Um die bisherigen Erfolge der Türkei in Bezug auf die niedrige COVID-19-bedingte Sterblichkeit älterer Menschen aufrechtzuerhalten, benötigen wir zielgerichtete Interventionen wie Grippeimpfungen, Infektionsschutz und -bekämpfung.

Meine dritte und letzte Botschaft lautet: Die WHO ist eine zuverlässige Partnerin in dieser gesundheitlichen Notlage, aber auch beim Aufbau von Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen in der Türkei und in der gesamten Europäischen Region.

Unser Team hat sich in enger Abstimmung mit dem türkischen Gesundheitsministerium darum bemüht, die Pläne des Landes für Bereitschaftsplanung und Sofortmaßnahmen zu entwickeln, die klinischen Möglichkeiten für die Verbesserung von Tests, Surveillance und Behandlung zu stärken, Gesundheitspersonal auszubilden, Strategien für Risikokommunikation und Bürgerbeteiligung umzusetzen, Flüchtlingslager mit der benötigten Schutzausrüstung zu versorgen und die psychologische Betreuung der Bevölkerung sicherzustellen.

Diese Zusammenarbeit wurde durch die großzügige Unterstützung der deutschen Regierung sowie in Abstimmung mit unseren Schwesterorganisationen UNDP, UNFPA und UNICEF ermöglicht.

Die WHO unterhält seit über 60 Jahren eine Präsenz in der Türkei. Wir werden auch weiterhin Ihr tatkräftiger Partner bei der Verwirklichung von Gesundheit und Wohlbefinden bleiben: für die Menschen in der Türkei und all jene, die von Ihnen so großzügig aufgenommen wurden.

Ihre Solidarität bei der Bekämpfung dieses Virus ist ein Vorbild für andere Länder, und wir müssen weiterhin konsequent auf die Beseitigung von COVID-19 hinarbeiten, wo immer es auftritt. Die WHO dankt Ihnen für die tatkräftige Unterstützung bei ihrem Auftrag, und wir werden heute wie auch in den kommenden Jahren eng zusammenarbeiten.

Ich danke Ihnen.