Ansprache Ihrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin von Dänemark an die 68. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa
Rom, 17. September 2018
Eure Exzellenz Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Generaldirektor, sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, sehr geehrte Damen und Herren Minister, sehr geehrte Gäste, meine Damen und Herren!
Es ist mir eine Freude, erneut zu Beginn dieser 68. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa Gelegenheit zu erhalten, mich an eine Gruppe solch namhafter Fachleute zu richten, die sich dem Ziel der Verwirklichung von Gesundheit und Wohlbefinden für alle Menschen jeden Alters verschrieben haben.
Sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, liebe Zsuzsanna, vielen Dank für die Einladung zu dieser wichtigen Tagung. Und vielen Dank an unsere italienischen Gastgeber für ihre herzliche Gastfreundschaft. Ich hoffe, dass die unvergleichliche Stadt Rom uns als Inspiration dienen wird, um gemeinsam die Agenda der Europäischen Region für Gesundheit und Wohlbefinden zu gestalten und voranzutreiben.
Der Gedanke an Italien und seine Menschen wird oft verbunden mit dem Ausdruck „La Dolce Vita“, das süße Leben. Und es ist diese Lebensfreude und der leidenschaftliche Wunsch, dafür zu sorgen, dass die Menschen in der Europäischen Region ein möglichst gesundes und glückliches Leben genießen können, die uns zu Recht hier in Rom zusammenführen. Die Tagesordnung für die nächsten vier Tage bietet Gelegenheiten, Fortschritte bei einigen wichtigen Themen zu machen – Themen, die uns alle betreffen.
Eines dieser Themen sind Impfungen. In den letzten Jahrzehnten sind bei der Förderung der Gesundheit, der Bildung und der Lebensbedingungen in der Europäischen Region enorme Fortschritte erzielt worden, und Impfungen haben dabei eine bedeutende Rolle gespielt.
Unlängst ist das Thema Impfungen jedoch zu einem der meistdiskutierten Themen in der Europäischen Region geworden. Erst im letzten Monat hat das WHO-Regionalbüro für Europa eine Meldung veröffentlicht, die sowohl Politiker als auch die Öffentlichkeit ausdrücklich vor den erhöhten Risiken warnte, die von impfpräventablen Krankheiten ausgehen.
Die Schlagzeile lautete: „Masern erreichen Höchststand in der Europäischen Region“. Dies ist nicht hinnehmbar, wenn man bedenkt, dass es sichere und wirksame Impfstoffe gibt, um die mehr als 40 000 Infektionen zu verhindern, die allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 gemeldet wurden. Und es ist unerträglich zu erfahren, dass 37 Menschen infolge einer Krankheit sterben mussten, die sich durch nur zwei Injektionen eines verfügbaren Impfstoffs vermeiden ließe.
Diese Trends könnten die Fortschritte, die in unserer Region im Hinblick auf die Eliminierung von Masern und Röteln erzielt worden sind, ernsthaft gefährden. Auch wenn immer mehr Länder die endemische Ausbreitung von Masern und Röteln unterbrechen konnten, sind auch beunruhigende Rückschläge zu verzeichnen.
Was sind die Ursachen?
Zwar lässt die Mehrzahl der Eltern ihre Kinder gemäß den nationalen Impfplänen impfen, doch um die Ausbreitung von Masern und anderen gefährlichen Krankheiten zu verhindern, ist bekanntermaßen eine sehr hohe Durchimpfungsrate von mindestens 95% der Bevölkerung erforderlich.
Diesen optimalen Grad der Herdenimmunität zu erreichen, hat sich in einigen Ländern als schwierig erwiesen; in anderen ist die Durchimpfung in den vergangenen Jahren gar zurückgegangen. Die Gründe hierfür sind komplex und zahlreich und sind jeweils in den Ländern und Gemeinschaften zu finden. So hatten einige Länder etwa mit Impfstoffengpässen zu kämpfen, in einigen Fällen vertrauen Eltern nicht auf Impfungen oder haben nur beschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung, einige finden die lokalen Impfangebote unpraktisch, und einige Eltern realisieren nicht, wie ernst und sogar fatal diese Krankheiten sein können. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, dass Sie, die Vertreter der Gesundheitspolitik, die Impfbarrieren analysieren und verstehen und Maßnahmen zu deren Überwindung ergreifen, die an die jeweilige nationale Situation und die jeweilige Bevölkerung angepasst sind.
Es ist in hohem Maße sinnvoll, eine Halbzeitbilanz der Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele des Europäischen Impfaktionsplans bei dieser Tagung des Regionalkomitees zu erstellen. Wir alle tragen Verantwortung: Ich bin davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, die zu schließenden Lücken und die zum Schutz all unserer Kinder erforderlichen Maßnahmen zu identifizieren und unsere Region wieder auf Kurs zu bringen, um diese schrecklichen Krankheiten ein für alle Mal zu eliminieren. Impfungen für alle sind eine Investition in die Gesundheit und die Zukunft von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen und tragen zur Verwirklichung sowohl der gesundheitsbezogenen als auch anderer globaler Zielvorgaben aus den Zielen für nachhaltige Entwicklung bei.
Die globalen Ziele bieten einen Weg hin zu bzw. einen Rahmen für Entwicklung und Innovation. Sie bieten einen Plan zugunsten der Menschen, des Planeten und von Wohlstand, der dafür Sorge tragen soll, dass niemand zurückgelassen wird. Damit überhaupt Aussicht auf Verwirklichung der SDG besteht, ist eine enge Zusammenarbeit in entscheidenden Bereichen der öffentlichen Gesundheit erforderlich. Eines der drängendsten Probleme ist dabei die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen.
Ich beteilige mich bereits seit 2012 am Kampf gegen AMR. Ich bin davon überzeugt, dass diese heute zu den größten Bedrohungen für die Gesundheit von Menschen und Tieren gehören, und werde deshalb auch in Zukunft für Maßnahmen auf diesem Gebiet werben. AMR betreffen uns alle, und deshalb muss für jeden hörbar und verständlich vor dieser Bedrohung gewarnt werden, damit jeder die Problematik hinreichend versteht und entsprechend handeln kann. Es ist unerlässlich, dass sämtliche relevanten Bereiche von Staat, Privatwirtschaft und Öffentlichkeit in dieser Hinsicht zusammenarbeiten.
Die diesjährige Weltantibiotikawoche ist in Europa dem Thema „Ein einheitlicher Gesundheitsansatz“ gewidmet. Einige antimikrobielle Mittel, die bei der Behandlung von Infektionskrankheiten bei Tieren zur Anwendung kommen, sind die gleichen oder ähnliche wie jene, die bei Menschen verwendet werden. Aus diesem Grund müssen wir der wachsenden Bedrohung der AMR aus verschiedenen Perspektiven entgegenwirken. Daher ist die Woche dem sogenannten einheitlichen Gesundheitsansatz gewidmet . Und auch ich unterstütze diesen Ansatz, denn er folgt dem gesunden Menschenverstand.
Wie Sie wissen, tragen die übermäßige Nutzung und der Missbrauch von Antibiotika sowohl bei Tieren als auch bei Menschen zur wachsenden Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen bei. Es reicht nicht aus, auf eine verantwortungsvolle Nutzung von Antibiotika bei Menschen hinzuarbeiten. Auch die Unterbindung einer unnötigen Verwendung bei der Tierhaltung für Nahrungsmittel ist entscheidend. Um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Bakterien Resistenzen bilden, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes.
Unabhängig davon, ob sie bei Menschen, Tieren oder in der Umwelt auftreten, können resistente Bakterien sich von einer Gruppe auf die andere und von einem Land auf ein anderes ausbreiten. AMR kennen weder geographische Grenzen noch solche zwischen Menschen und Tieren.
Aus diesem Grund kann das Problem allein durch Maßnahmen in nur einem Bereich weder verhindert noch eliminiert werden. Wir müssen einen mutigen Schritt wagen und einen ressortübergreifenden Ansatz anwenden. Es ist an Ihnen, den Vertretern der Gesundheitspolitik, dem Thema AMR einen hohen Stellenwert auf gesamtstaatlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene einzuräumen und gemeinsam Maßnahmen zur Bekämpfung sämtlicher Risiken und Triebkräfte zu ergreifen, die in einem komplexen Gefüge menschlicher, tierischer und ökologischer Zusammenhänge miteinander verknüpft sind.
Gleichzeitig müssen wir länderübergreifend arbeiten. Unsere Region war von Anfang an einer der Vorreiter im Kampf gegen AMR. Dass wir uns heute hier gemeinsam zusammenfinden, erleichtert es uns, gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Ich lege jedem von Ihnen ans Herz, den einheitlichen Gesundheitsansatz auszuschöpfen, sich mit anderen Ressorts zusammen zu tun und alle Ebenen der Gesellschaft zusammenzubringen, um gemeinsam mit der WHO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der Weltorganisation für Tiergesundheit die Weltantibiotikawoche 2018 zu begehen.
Meine Damen und Herren!
Wie soeben erwähnt, steht die Europäische Region der WHO bei Entwicklungen im Gesundheitsbereich oft an vorderster Front, und auch die Tagesordnung der diesjährigen Tagung bestätigt dies. Zum ersten Mal wird in diesem Rahmen eine Strategie zur Förderung der Gesundheit von Männern diskutiert. Und hier ist die Quintessenz der Strategie neuartig. Sie zielt darauf ab, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Männern zu verbessern: durch geschlechtergerechte Ansätze, die Infragestellung traditioneller Normen der Männlichkeit und die Forderung nach einem Umdenken bei geschlechtsspezifischen Stereotypen und der Beseitigung von Barrieren zwischen einzelnen Programmen. Dabei verfolgt die Strategie eine lebenslange, generationenübergreifende Perspektive. Ihr Blick auf die Art, wie wir unser Leben gestalten und inwiefern unsere Gesundheit mit so vielen Faktoren verwoben ist, entspricht dem Geist der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.
Die Strategie für die Gesundheit von Männern verweist auf die Gleichstellung der Geschlechter als eine der vorrangigen Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit von Männern und hebt Übergangsphasen im Leben als wesentliche Chancen zur Verbesserung der Gesundheit für alle hervor. Betrachten wir eine dieser Übergangsphasen – den Übergang in die Vaterschaft –, jenen glücklichen, ergreifenden Moment, als wir Eltern geworden sind, auf den viele von uns liebevoll zurückblicken. Dieser Zeitpunkt könnte eine einmalige Gelegenheit für Männer bieten, die physische und psychische Gesundheit ihrer Kinder, ihrer Partner ebenso wie ihre eigene physische und psychische Gesundheit zu verbessern. Werden Väter bereits frühzeitig in die Kinderbetreuung eingebunden, macht sich dies in gesundheitlicher Hinsicht bezahlt. Studien zeigen, dass engagierte Väter länger leben, seltener unter physischen und psychischen Problemen leiden, bei der Arbeit produktiver sind, seltener Unfälle erleiden und eigenen Angaben zufolge zufriedener mit ihrem Leben sind.
Eine kürzlich in Dänemark durchgeführte Befragung von über 1000 Vätern kam zu dem Ergebnis, dass 78% der Teilnehmer sich mehr mit ihrer eigenen Gesundheit auseinandersetzten, nachdem sie Vater geworden waren. Über 50% tranken weniger Alkohol und 43% jener Teilnehmer, die zuvor geraucht hatten, hörten nach der Geburt ihres Kindes mit dem Rauchen auf. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf ihre eigene Gesundheit, sondern auch auf die Gesundheit ihrer Partner und Kinder aus.
Wir müssen sicherstellen, dass Väter diese einmalige Gelegenheit ergreifen können, indem wir sie an Geburtsvorbereitungskursen beteiligen, Gesundheitsfachkräfte darin schulen, Partner mehr einzubinden, Vaterschaftsurlaub zu ermöglichen und die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Art von Urlaub zu erhöhen, unsere eigenen Standpunkte und Verhaltensweisen überdenken usw.
Ich setze mich schon lange aktiv für die Förderung der Gesundheit von Müttern und Kindern ein. Ohne das Engagement der Männer bei der Kinderbetreuung und für ihre eigene Gesundheit können keine realen, nachhaltigen Verbesserungen bei der Gesundheit von Müttern und Kindern erzielt werden.
Wieder einmal ist die Tagesordnung des Regionalkomitees prall gefüllt. Ich wünsche Ihnen anregende, produktive Diskussionen und fundierte, zukunftsweisende Entscheidungen.
Diese Tage bieten Ihnen die Gelegenheit, unbeirrt an unserer Entschlossenheit zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden jedes Bürgers dieser vielfältigen Region festzuhalten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.