Simulierter Verstoß gegen die Vorschriften zur Sicherheitslagerung hilft den Ländern, die Sicherheit in Bezug auf biologische Risiken zu erhöhen
Die Vorbereitung auf Unfälle im Bereich der biologischen Sicherheit hilft, diese zu verhindern und die Auswirkungen im Falle ihres Eintretens einzudämmen. In der Europäischen Region der WHO planen zwölf Länder, auch nach dem Ende der Zirkulation des Wildvirus Polioviren für die Impfstoffherstellung oder wichtige Forschungszwecke aufzubewahren. Hierfür müssen sie sich um die Zertifizierung einer unentbehrlichen Poliovirus-Einrichtung (PEF) bewerben, in der die Materialien sicher gelagert werden können. Ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Sicherheitslagerung von Polioviren gibt weltweit Anlass zur Sorge, da er die Infektion exponierter Personen und die Übertragung auf andere zur Folge haben könnte. Die Zirkulation des Poliovirus nach seiner weltweiten Eradikation würde nicht nur die Gesundheit anfälliger Personen, sondern auch Jahrzehnte historischer Fortschritte im Kampf um die weltweite Ausrottung einer verheerenden und vermeidbaren Krankheit gefährden.
Lücken identifizieren
Zur Vorbereitung der PEF-Zertifizierung nahmen Vertreter der Länder, die den Aufbau von PEF planen (Belarus, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande, Rumänien, Russische Föderation, Schweden, Serbien, Ungarn und das Vereinigte Königreich), an einer zweitägigen Simulationsübung für einen Polioausbruch teil, die im Oktober 2018 vom WHO-Regionalbüro für Europa und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) organisiert wurde. Das Szenario der Simulationsübung basierte auf einem realen Ereignis: dem versehentlichen Austritt des Poliovirus vom Typ 2 und der Exposition zweier Laborfachkräfte in einer Impfstoffproduktionsanlage in den Niederlanden im Jahr 2017.
„Schulungen in Form von Simulationsübungen sind gerade groß im Trend. Das von uns verwendete Szenario war real, es ist tatsächlich so passiert. Die Simulation half uns, mögliche Lücken zu identifizieren und über Verbesserungsmöglichkeiten in unseren eigenen Ländern nachzudenken“, sagte Franceso Vairo, Vertreter des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten „Lazzaro Spallanzani“ (Italien) bei der Veranstaltung.
Erfahrungsaustausch zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung
Durch die Simulation eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Sicherheitslagerung in ihren eigenen Ländern waren die Teilnehmer in der Lage, ihre eigenen nationalen Pläne für Gegenmaßnahmen in einer PEF kritisch zu prüfen und zu aktualisieren. Darüber hinaus konnten sie mögliche Defizite bei der allgemeinen Notfallbewältigung und den Systemen zur Notfallplanung in ihren eigenen Ländern identifizieren, darunter auch Aspekte der Gesetzgebung, Kommunikation, Koordination und Kollaboration auf internationaler wie auch nationaler Ebene.
Dr. Eugene Gavrilin, Koordinator für die Unterstützung der Länder durch das WHO-Regionalbüro für Europa bei der Umsetzung von GAPIII, forderte die Teilnehmer auf, „die Sicherheitslagerung von Polioviren als ein leistungsstarkes Instrument [anzusehen], mit dessen Hilfe sich das allgemeine Sicherheitssystem in Bezug auf biologische Risiken in Ihren Ländern verbessern lässt“.
Globaler Konsens über die Minimierung von Risiken
Die Zerstörung bzw. Sicherheitslagerung sämtlicher potenziell infektiösen mit Polioviren behafteten Materialien in PEF ist eine der von allen Ländern im „Globalen Aktionsplan der WHO zur Minimierung der von Laboreinrichtungen für Polioviren ausgehenden Risiken nach einer typenspezifischen Eradikation von Polio-Wildviren und der anschließenden Einstellung der Verwendung des oralen Polioimpfstoffs (GAPIII)“ vereinbarten Voraussetzungen.
Das WHO-Regionalbüro für Europa bietet technische Hilfe bei der Umsetzung des GAPIII in Form von Schulungen, Workshops, Länderbesuchen und einer Übersetzung und Verbreitung von Richtlinien. Da alle Länder, die sich um den Aufbau einer PEF bewerben wollen, bereits mit den Vorbereitungen für die Zertifizierung im Rahmen ihrer Bereitschaftsplanung für Notfälle begonnen haben, war die Simulationsübung für folgende Teilnehmer besonders interessant:
- Vertreter der für die Sicherheitslagerung zuständigen nationalen Behörden gemäß dem Plan für die Zertifizierung der Eindämmung des Poliovirus;
- Vertreter der nationalen Anlaufstellen für die Internationalen Gesundheitsvorschriften;
- nationale Experten aus dem Bereich Kommunikation über Gesundheitsrisiken;
- Vertreter von PEF;
- Vertreter der WHO;
- Vertreter des ECDC;
- internationale fachliche Partnerorganisationen.
Gewonnene Erkenntnisse
Zum Abschluss der zweitägigen Übung erstellte jedes Teilnehmerland eine Analyse der in ihren nationalen Plänen für Vorsorge- und Gegenmaßnahmen identifizierten Lücken, einschließlich eines konkreten Vorschlags für Verbesserungen auf nationaler Ebene. Bei der Reflektion über die im Rahmen der Simulationsübung gewonnenen
Erkenntnisse stellten die Teilnehmer fest, dass:
- gesetzliche Rahmen überprüft und ggf. überarbeitet werden müssen, um im Falle eines potenziellen Verstoßes gegen die Vorschriften zur Sicherheitslagerung schnelle Gegenmaßnahmen zu ermöglichen;
- sämtliche im GAPIII genannten Voraussetzungen in Bezug auf biologische Risiken in nationale Richtlinien für die praktische Anwendung im Falle eines tatsächlichen Verstoßes umgesetzt werden müssen.
Ein Mangel an einheitlichen, detaillierten Vorschriften und Verfahren zu sämtlichen Aspekten eines solchen Ereignisses, einschließlich der Isolierung und Quarantäne infizierter Personen, kann sich nachteilig auf die Rechtzeitigkeit und Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen auswirken.
„Nur weil das Risiko eines möglichen Ausbruchs des Poliovirus als gering zu betrachten ist, heißt das nicht, dass wir uns nicht darauf vorbereiten müssen“, sagte Francesco Vairo.