Auszug: Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Vierte Tagung der Verifizierungskommission der Europäischen Region für die Eliminierung der Masern und Röteln, 26.–29. Oktober 2015

Schlussfolgerungen 

Auf der Grundlage der von den Nationalen Verifizierungskommissionen (NVC) von 50 Mitgliedstaaten vorgelegten Berichte über den Zeitraum 2012–2014 und der jährlichen Lageberichte (annual status updates – ASU) ist die Verifizierungskommission der Europäischen Region (RVC) zu dem Schluss gelangt, dass es auch 2014 weiter zu einer endemischen Übertragung von Masern und Röteln in der Europäischen Region gekommen ist. Aufgrund dieser Feststellung und nach einer umfassenden Überprüfung der Epidemiologie der Masern und Röteln in der Europäischen Region im Jahr 2015 ist die RVC nicht der Ansicht, dass das für 2015 festgelegte Ziel einer Eliminierung der Masern und Röteln in der Europäischen Region erreicht wurde. In der Erwartung, dass die Daten von den NVC für das Jahr 2015 eine endemische Übertragung der Masern und Röteln zum Ende des Jahres in einigen Ländern bestätigen werden, ist die RVC entschlossen, den Verifizierungsprozess in der gesamten Europäischen Region fortzusetzen und die zuständigen nationalen Gesundheitsbehörden durch politische und fachliche Maßnahmen sowie durch Überzeugungsarbeit zu unterstützen. Die RVC appelliert außerdem an das Sekretariat der RVC und an das gesamte WHO-Regionalbüro für Europa, Maßnahmen zur Eliminierung der Masern und Röteln auch weiterhin zu unterstützen, bis die erfolgreiche Verifizierung in der Europäischen Region abgeschlossen ist. Die RVC ist dankbar für die Unterstützung durch den Europäischen Beirat für Immunisierungsfragen (ETAGE) sowie andere Experten und Fachgremien auf der globalen und regionsweiten Ebene bei den Anstrengungen zur Eliminierung der Masern und Röteln und sieht einer weiteren Zusammenarbeit mit ihnen erwartungsvoll entgegen.

2015 prüfte die RVC Dokumente, die von den NVC für die Jahre 2012, 2013 und 2014 vorgelegt worden waren, um den Status der endemischen Übertragung von Masern und Röteln für das Jahr 2014 festzustellen und um zu ermitteln, in welchen Mitgliedstaaten die Masern und Röteln als seit drei Jahren eliminiert gelten können. Die RVC stellte im Vergleich zu den Vorjahren eine signifikante Verbesserung der Qualität der von den NVC für 2014 vorgelegten ASU und unterstützenden Dokumente fest. Allerdings gingen wie schon in den Vorjahren mehr als ein Drittel der ASU für das Jahr 2014 erst nach dem vereinbarten Termin beim Sekretariat ein, und mehrere Berichte enthielten unvollständige oder widersprüchliche Informationen oder selbst entwickelte Surveillance-Indikatoren, die nicht verständlich erklärt wurden und teilweise nicht den Erfordernissen der Verifizierung entsprachen.

Die RVC ist besorgt über die verzögerte Einleitung des Verifizierungsprozesses in Albanien, Monaco und San Marino. Nach Informationen von den zuständigen nationalen Behörden haben diese drei Länder noch keine NVC eingerichtet und daher noch nicht die erforderlichen Unterlagen eingereicht, die es der RVC ermöglichen würden, ihren Status in Bezug auf die Eliminierung der Masern und Röteln festzustellen. Darüber hinaus fehlen noch verschiedene Dokumente aus mehreren Ländern mit funktionierenden NVC (Italien: Bericht zum Stand der Eliminierung 2010–2012; Serbien und Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien: korrigierter ASU für 2013; Ukraine: ein amtlicher ASU für 2014). Ohne vollständige Unterlagen aus allen 53 Mitgliedstaaten ist eine Verifizierung für die Europäische Region insgesamt nicht möglich.

Auf der Grundlage der für 2014 vorgelegten 50 ASU hat die RVC festgestellt, dass 32 Mitgliedstaaten (60%) den Nachweis einer Unterbrechung der endemischen Übertragung der Masern während Jahres 2014 erbracht haben, während in 18 Mitgliedstaaten (34%) weiterhin eine endemische Übertragung der Masern stattfindet und 3 Mitgliedstaaten (6%) keine Unterlagen eingereicht haben. Ferner hat die RVC festgestellt, dass 32 Mitgliedstaaten (60%) den Nachweis einer Unterbrechung der endemischen Übertragung der Röteln während Jahres 2014 erbracht haben, während in 18 Mitgliedstaaten (34%) weiterhin eine endemische Übertragung der Röteln stattfindet und 3 Mitgliedstaaten (6%) keine Unterlagen eingereicht haben. In 16 Mitgliedstaaten (30%) fand während des Jahres 2014 eine endemische Übertragung von Masern und Röteln statt. Mangels eines amtlichen ASU aus der Ukraine für das Jahr 2014 wurden bei der Bewertung der Übertragung von Masern und Röteln in dem Land besondere Überlegungen angestellt. Auf der Grundlage der für 2014 vorgelegten Daten über Surveillance und Versorgungsgrad sowie früherer von der NVC eingereichter Dokumente kam die RVC zu dem Ergebnis, dass in der Ukraine immer noch eine endemische Übertragung der Masern und Röteln im Gange ist. Die RVC war nicht in der Lage, in den drei Mitgliedstaaten, die nicht über funktionierende NVC verfügen, den Stand der Eliminierung der Masern und Röteln zu überprüfen. Die RVC und das Sekretariat haben sich darauf geeinigt, bei der Klassifizierung des Stands der Eliminierung von Masern und Röteln die Kategorien „unterbrochen" (interrupted), „gefährdet" (at risk) und „ungeklärt" (inconclusive) abzuschaffen, da es kein eindeutiges Verständnis darüber gab, wie ein einheitlicher Gebrauch dieser Begriffe in dem Verifizierungsprozess sichergestellt werden soll.

Die RVC hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass die für 2015 vorgelegten ASU den Ausschluss einer endemischen Übertragung der Masern und Röteln in allen Ländern der Europäischen Region bis zum 31. Dezember 2015 zulassen. Damit würde das für 2015 gesteckte Ziel einer Eliminierung der Masern und Röteln in der Europäischen Region verfehlt. Doch die vierte Tagung der RVC war die erste Gelegenheit zur Bewertung des Stands der Eliminierung der Masern und Röteln über einen Dreijahreszeitraum und zur Feststellung einer Eliminierung in einzelnen Ländern. Viele Mitgliedstaaten waren in der Lage, den Nachweis über eine nicht mehr stattfindende endemische Übertragung von Masern und/oder Röteln auf ihrem Staatsgebiet im Zeitraum 2012–2014 zu dokumentieren, wodurch sie die Kriterien für die Verifizierung der Eliminierung erfüllen.

Auf der Grundlage einer Bewertung der einzelnen Länder anhand der von ihren NVC vorgelegten Dokumente für den Zeitraum 2012–2014 hat die RVC festgestellt: dass 21 Mitgliedstaaten (39,5%) den Nachweis über eine Unterbrechung der endemischen Übertragung der Masern für die Dauer von mindestens 36 Monaten erbracht haben; dass 11 Mitgliedstaaten (21%) den Nachweis über eine solche Unterbrechung für die Dauer von 12 oder 24 Monaten erbracht haben; und dass in 18 Mitgliedstaaten (34%) weiterhin eine endemische Übertragung der Masern stattfindet. Ebenso hat die RVC festgestellt: dass 20 Mitgliedstaaten (38%) den Nachweis über eine Unterbrechung der endemischen Übertragung der Röteln für die Dauer von mindestens 36 Monaten erbracht haben; dass 12 Mitgliedstaaten (22,5%) den Nachweis über eine solche Unterbrechung für die Dauer von 12 oder 24 Monaten erbracht haben; und dass in 18 Mitgliedstaaten (34%) weiterhin eine endemische Übertragung der Röteln stattfindet. In 16 Mitgliedstaaten findet weiterhin eine endemische Übertragung von Masern und Röteln statt.

Die RVC hat darauf hingewiesen, dass die Erhebung und Einreichung detaillierterer Daten (Grafiken und Karten) von der subnationalen Ebene sich positiv auf den Verifizierungsprozess auf der nationalen Ebene und in der Europäischen Region insgesamt auswirken würde. Die RVC hat auch festgestellt, dass viele Mitgliedstaaten weiterhin Schwierigkeiten mit der Surveillance der Röteln haben, insbesondere mit der Bestätigung von Verdachtsfällen im Labor, und dass es deshalb schwierig ist, eine ausreichende Zahl von Fällen zusammenzustellen, um in allen Teilen der Europäischen Region Referenzdaten für die Genotypisierung der Röteln zu erhalten. Darüber hinaus können einige Länder immer noch nicht den Nachweis über eine sensible landesweite oder eine wirksame Sentinel-Surveillance für Rötelnembryopathie (CRS) erbringen.

Da sich die Europäische Region nun ihrem Eliminierungsziel nähert, wird es immer wichtiger, zwischen endemischen Fällen und eingeschleppten und aus Einschleppung resultierenden Fällen zu unterscheiden und Ketten der Virusübertragung durch genetische Sequenzierung zu bestimmen. Die meisten Mitgliedstaaten melden Sequenzdaten über Masern in einem Standardformat, doch bisher liegt nur eine geringe Menge an solchen Daten für Röteln vor. Die RVC hat auch erkannt, dass der Nutzen von molekularen Daten für Masern und Röteln von der Qualität der klinischen und epidemiologischen Daten eines integrierten epidemiologischen Überwachungssystems abhängig ist.

Die RVC untersucht weiter Konzepte für die Verifizierung in Mitgliedstaaten mit einer Bevölkerungsgröße, die als zu klein für die Aufrechterhaltung einer endemischen Übertragung von Masern und Röteln angesehen wird. Die RVC wird mit dem Sekretariat zusammenarbeiten und sich die Arbeit bestehender Initiativen der WHO, wie etwa der Initiative kleiner Länder, aber auch die Erfahrungen bei der Zertifizierung der Europäischen Region als poliofrei zunutze machen. Die RVC hat auch erkannt, dass es in der gesamten Europäischen Region täglich oder saisonal bedingt zu großen Bevölkerungsbewegungen zwischen Mitgliedstaaten kommt und dass es in Verbindung mit dem Verifizierungsprozess wichtig ist, einen Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über die Epidemiologie und die Virusübertragung sicherzustellen. Die Entwicklung informeller epidemiologischer Blöcke könnte sich bei der Betrachtung der Übertragung von Masern- und Rötelnviren und der Einschätzung des Risikos einer Einschleppung in die Europäische Region als nützlich erweisen.

Neue Lösungsansätze könnten dazu beitragen, den Verifizierungsprozess zu erleichtern und fachliche Leitlinien für die Sammlung und Analyse von Informationen aus diesen Ländern zu entwickeln.

Empfehlungen

Die RVC appelliert dringend an die zuständigen nationalen Gesundheitsbehörden und die NVC der Mitgliedstaaten, in denen noch eine endemische Übertragung von Masern und/oder Röteln stattfindet, ihr Bekenntnis zu dem Ziel der Europäischen Region erneut zu bekräftigen und so bald wie möglich eine Eliminierung der beiden Krankheiten herbeizuführen.

Die RVC empfiehlt allen NVC nachdrücklich, die in den Anhängen zu dem Tagungsbericht präsentierten länderspezifischen Empfehlungen umzusetzen. Die RVC lädt die NVC und die zuständigen nationalen Gesundheitsbehörden auch dazu ein, auf Möglichkeiten für die RVC und das Sekretariat der WHO zur Unterstützung der Länder bei der Eliminierung der Masern und Röteln hinzuweisen. Die RVC und das Sekretariat der WHO sollten jede Gelegenheit nutzen, um den NVC bei der Erbringung des Nachweises über die Eliminierung der Masern und Röteln auf nachvollziehbare und umfassende Weise behilflich zu sein. 

Die RVC appelliert dringend an Albanien, Monaco und San Marino, je eine NVC einzurichten und so bald wie möglich im Standardformat verfasste Berichte über den Stand der Eliminierung für den Zeitraum 2010–2012 sowie entsprechende jährliche Lageberichte für die Jahre 2013 und 2014 auszuarbeiten. Die RVC und das Sekretariat der WHO sind bereit, jegliche Hilfe bereitzustellen, die zur Fertigstellung der benötigten Unterlagen notwendig ist.

Die RVC appelliert dringend an die NVC Italiens, Serbiens, der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und der Ukraine, sämtliche noch ausstehenden Unterlagen so bald wie möglich vorzulegen.

Die RVC und das Sekretariat der WHO sollten sich auch weiterhin an Maßnahmen auf der globalen Ebene zur Eliminierung der Masern und Röteln, an Tagungen der Verifizierungskommissionen anderer WHO-Regionen und an Tagungen der Partnerorganisationen zu diesem Thema beteiligen, um die Einführung eines konsequenten globalen Ansatzes für den Prozess der Eliminierung in der Europäischen Region zu gewährleisten. 

Das Sekretariat der WHO sollte:

  • die RVC über aktuelle Entwicklungen in Bezug auf die Verifizierung der Eliminierung der Masern und Röteln in der Europäischen Region auf dem Laufenden halten und auch über bestehende Möglichkeiten zur Werbung für oder zur aktiven Förderung von Maßnahmen zur Eliminierung der Masern und Röteln in den Ländern informieren;
  • den zuständigen nationalen Behörden und den NVC weiterhin Anleitung bei der Ausfüllung der ASU geben;
  • die Kommunikation mit der RVC im Zeitraum zwischen Tagungen auch weiterhin durch regelmäßig stattfindende Telekonferenzen fördern;
  • die Möglichkeit einer Heranziehung der Ergebnisse anderer Initiativen der WHO, wie etwa der Initiative kleiner Länder, prüfen, um in Mitgliedstaaten mit einer Bevölkerungsgröße, die als zu klein für die Aufrechterhaltung einer endemischen Übertragung von Masern und Röteln angesehen wird, zum Verifizierungsprozess beizutragen;
  • eine informelle Gruppierung von Ländern – vor allem von kleinen Ländern, die eine Landgrenze mit wesentlich größeren Nachbarländern haben – in epidemiologischen Blöcken prüfen, um eine Bewertung der Virusübertragung und eine Evaluation der Standes der Eliminierung zu ermöglichen.

Alle Mitgliedstaaten werden dringend aufgefordert:

  • die Verifizierung dadurch zu unterstützen, dass die NVC alle benötigten Daten, Informationen und Dokumente von der nationalen und subnationalen Ebene erhalten, die ihnen eine rechtzeitige Vorlage vollständiger und umfassender jährlicher Lageberichte erleichtern; 
  • die Qualität der Surveillance von Röteln und Rötelnembryopathie zu verbessern und die Meldung von genetischen Sequenzdaten über Röteln zu fördern;
  • den Kapazitätsaufbau im Labornetzwerk der Europäischen Region für Masern und Röteln zu unterstützen und die Fähigkeit zu verbessern, genetische Sequenzdaten mit Surveillance-Daten für Masern und Röteln zu verknüpfen;
  • sicherzustellen, dass die NVC ausreichende Unterlagen über Krankheitsausbrüche und über zusätzliche Impfmaßnahmen und deren Ergebnisse sowie angemessene Berichte über die Ausbrüche erhalten;
  • Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfung der Bevölkerung durch Verbesserung der Versorgung mit Routineimpfungen bzw. durch gezielte zusätzliche Impfmaßnahmen zu prüfen.