Länder der Europäischen Region setzen sich konkrete Ziele für die Ver-wirklichung eines allgemeinen Zugangs

Kopenhagen/Genf/Bukarest, 23. November 2010

Der Abbau ökonomischer Barrieren für den Zugang zu sicherem Trinkwasser ist eines der wichtigsten Ziele der zweiten Tagung der Vertragsparteien des Protokolls über Wasser und Gesundheit, die heute in Bukarest beginnt. Auf der Tagung wollen die Vertreter von 34 Ländern aus der Europäischen Region, darunter Vertragsparteien und Nichtvertragspartei-en des Protokolls, eine Bilanz der Fortschritte bei der Bereitstellung von saubererem Wasser und besseren sanitären Einrichtungen für mehr Menschen vor dem Hintergrund der ange-spannten wirtschaftlichen Lage ziehen. Wasser- und Abwassergebühren können in reichen wie armen Ländern zu einer Belastung für einkommensschwache Haushalte führen und so den Zugang zur Infrastruktur behindern.
„Ohne sicheres Wasser für alle ist Bevölkerungsgesundheit undenkbar. Diese Tagung ist ein weiterer Meilenstein in einem Prozess, durch den die Zahl der Bürger in Europa mit Zugang zu unbedenklichem Trinkwasser und grundlegenden sanitären Einrichtungen erhöht und so die Zahl der Fälle wasserbedingter Erkrankungen verringert werden soll, die sich in der Euro-päischen Region heute noch auf über 330 000 pro Jahr beläuft“, sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Wir appellieren deshalb an alle Länder, sich ehrgeizige und messbare Ziele für eine signifikante Verringerung der derzeitigen Krankheitslast aufgrund wasserbedingter Krankheiten und für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Wasser zu setzen.“

Der Zugang zu einer verbesserten Wasserversorgung und entsprechenden sanitären Einrich-tungen hat sich allgemein in der Europäischen Region verbessert, was zu einem Rückgang der Zahl der Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern um 80% im Zeitraum von 1995 bis 2005 geführt hat. Dennoch leben mehr als 50% der ländlichen Bevölkerung im östlichen Teil der Region noch in Häusern, die nicht an eine sichere Trinkwasserversorgung angeschlossen sind, und dieser Anteil steigt in manchen Ländern sogar noch an. In einigen Teilen der Europäi-schen Region ist die Sanitärinfrastruktur noch unzureichend, und ca. 85 Mio. Menschen (da-von über 20 Mio. in den einkommensschwächsten Gruppen in den EU-Staaten) haben immer noch keine Toilette im Haus. Das Protokoll über Wasser und Gesundheit ist die erste rechts-verbindliche internationale Vereinbarung, durch die der Zugang zu sicherem Trinkwasser und die Bereitstellung von sanitären Einrichtungen für alle erreicht werden sollen.

In dem Protokoll wird anerkannt, dass der Zugang zu sicherem Wasser nur bei ausreichendem Schutz und umsichtiger Bewirtschaftung der Wasservorkommen gewährleistet werden kann. „In der gesamteuropäischen Region sind unsere Gewässer durch Industrialisierung, Intensivie-rung der Landwirtschaft, Verstädterung und eine wachsende Inanspruchnahme von Gewässern für Freizeitaktivitäten, aber auch aufgrund der prognostizierten negativen Folgen des Klimawandels bedroht. Die Lösungen für diese Probleme liegen außerhalb von Wasserwirt-schaft und Gesundheitswesen. Sie liegen vielmehr in der Formulierung und Umsetzung von Handlungskonzepten, der Effektivität von Institutionen, der Umsetzung des politischen Wil-lens in Maßnahmen, der Zuteilung von Mitteln auf nationaler und internationaler Ebene und den Kapazitäten der einzelnen Länder. Das Protokoll ist ein hochgradig wirksames Instru-ment, das die Länder zu einer modernen und wirksamen Regierungsführung veranlassen soll“, erklärt Ján Kubiš, Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE).
Extreme Wetterereignisse nehmen in Bezug auf Häufigkeit und Intensität zu und haben quan-titative und qualitative Auswirkungen auf die Wasservorkommen, worüber Politik und Bürger gleichermaßen besorgt sind. So hat die Zahl extremer Wetterereignisse in der Europäischen Region zwischen 1998 und 2007 um 65% zugenommen, und die Gesamthöhe der ökonomi-schen Schäden hat sich gegenüber dem vorangegangenen Jahrzehnt auf 13,7 Mrd. € verdop-pelt.

Angesichts dieser Probleme bildet das Protokoll einen umfassenden Handlungsrahmen für ge-genseitige Hilfe zwischen den Vertragsparteien, u. a. in Form von fachlicher Unterstützung und finanzieller Hilfe.

In der Europäischen Region überqueren mehr als 150 Flüsse Staatsgrenzen, so dass für eine nachhaltige Nutzung solcher Gewässer eine internationale Zusammenarbeit von entscheiden-der Bedeutung ist. Die Giftschlammkatastrophe, die vor kurzem in Ungarn zu neun Todesfäl-len und über 150 Verletzten führte, nachdem es zehn Jahre zuvor zu einem ähnlichen Unfall in Rumänien gekommen war, hat einmal mehr verdeutlicht, dass in vielen Ländern sowohl von noch genutzten Industrieanlagen als auch von Altstandorten erhebliche Gefahren ausgehen. Das Protokoll über Wasser und Gesundheit kann in Verbindung mit dem ihm zugrunde lie-genden Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen Maßnahmen zur Ermittlung und Sanierung von Umweltbelastungen unterstützen, die sich über belastete Gewässer schädlich auf die Gesundheit auswirken kön-nen, und die Tagung in Bukarest bietet eine einzigartige Gelegenheit, bestehende Handlungs-optionen zu erörtern.

Auf der Tagung werden die Vertragsparteien erstmals über alle wasser- und gesundheitsbezo-genen Aspekte Bericht erstatten. Sie werden die Fortschritte bei der Erfüllung der nationalen Vorgaben prüfen und sich auf bevorstehende Herausforderungen einstellen. Darüber hinaus werden die Teilnehmer das breite Spektrum von Themen erörtern, das in den letzten drei Jah-ren im Vordergrund stand, u. a. die Ratifikation und Durchführung des Protokolls, die Aus-arbeitung integrierter Strategien für den Bereich Wasser und Gesundheit, die besonderen Her-ausforderungen kleinerer Wasserversorgungsprojekte und der Zugang zu Informationen und die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Protokolls.