Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) und WHO-Regionalbüro für Europa führen erstes Analyseinstrument für die Messung von Ungleichgewichten beim Zugang zu Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ein

Kopenhagen/Genf, 25. November 2013

In der Europäischen Region der WHO ist der Zugang zu Wasserver- und Abwasserentsorgung von Land zu Land sehr unterschiedlich; dies gilt oft auch für verschiedene Landesteile und für Menschen aus den gleichen Wohnorten, und zwar unabhängig vom Entwicklungsstand des jeweiligen Landes. Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Bewältigung dieser Ungleichgewichte liegt darin, dass sowohl ein detailliertes Bild des Versorgungsgrades der einzelnen Bevölkerungsgruppen als auch ein klares Verständnis der diesen Ungleichgewichten zugrunde liegenden wichtigsten Einflussfaktoren fehlen. Dies ist zu Zeiten einer Finanzkrise von besonderer Bedeutung.

Mit einem neuen Analyseinstrument, das heute von UNECE und WHO-Regionalbüro für Europa gemeinsam präsentiert wird, können nun zum ersten Male solche Ungleichgewichte beim Zugang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung konkret gemessen werden. Die beiden Organisationen legen die sog. Equitable Access Score-card, ein Bewertungssystem für gleichberechtigten Zugang, der dritten Tagung der Vertragsparteien des Protokolls über Wasser und Gesundheit zu dem Übereinkommen von 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (Oslo, 25.–27. November 2013) vor, auf deren Tagesordnung ein Schwerpunkt auf die Herstellung von Gerechtigkeit beim Zugang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung gelegt wurde.

Auch 2011 hatte jeder neunte Bürger in der Europäischen Region zuhause noch kein Trinkwasser aus der Wasserleitung, und 67 Mio. Menschen hatten noch keinen Zugang zu verbesserten sanitären Einrichtungen, wodurch die Erfüllung der wasserbezogenen Zielvorgabe im Rahmen des Millenniums-Entwicklungsziels 7 bis 2015 behindert wird. Die im Rahmen des Protokolls über Wasser und Gesundheit entwickelte Scorecard wird den Ländern dabei behilflich sein, eine Basislinie für einen gleichberechtigten Zugang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung festzulegen, um die für eine verbesserte Versorgung und eine Bewertung der diesbezüglich erzielten Fortschritte notwendigen Maßnahmen zu bestimmen.
Die Scorecard enthält eine Prüfliste, anhand derer ein Land, eine Region oder eine Stadt Informationen sammeln, sortieren und evaluieren kann. Die Nutzer können sich einen umfassenden Überblick über die vorhandenen Grundsatzmaßnahmen für einen gerechten Zugang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung verschaffen, indem sie die folgenden Fragen beantworten:

  • Gibt es Ungleichgewichte beim Zugang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung zwischen geografischen Gebieten?
  • Verfügen anfällige und marginalisierte Bevölkerungsgruppen über den gleichen Zugang zur Wasserver- und Abwasserentsorgung wie wohlhabendere Mitbürger?
  • Kann es sich jeder leisten, für diese Leistungen zu bezahlen?
  • Gibt es strategische und finanzielle Konzepte, um einen gleichberechtigten Zugang zu gewährleisten?

Jedes Land und jede Region oder Stadt in der Welt kann mit der Scorecard eine Selbstbewertung durchführen und die eigenen Ergebnisse im zeitlichen Verlauf beobachten. Die Scorecard wurde bereits in verschiedenen Umfeldern eingesetzt.

  • In Frankreich wurde aufgrund von Erfolgen mit der Selbstbewertung im Großraum Paris eine Empfehlung in den nationalen Aktionsplan für Gesundheit und Umwelt aufgenommen, nach der die für die Regionen zuständigen Gesundheitsbehörden die Scorecard zur Ermittlung von Ungleichgewichten und zur Entwicklung einer Strategie zu deren Abbau verwenden sollen.
  • In Portugal konnten mit der Selbstbewertung Informationslücken aufgezeigt werden, die vor allem den Zugang anfälliger und marginalisierter Gruppen betrafen. Außerdem konnten wichtige Beiträge zur Überarbeitung des nationalen Strategieplans für die Wasserwirtschaft erbracht werden.
  • In der Ukraine stellte sich bei einer in Sebastopol durchgeführten Übung heraus, dass die Wohnungen von Kunden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten, vom Abwassersystem getrennt wurden. Dies führte zur Organisation einer breit angelegten Konsultation zur Lösung dieses Problems.

Bei der Nutzung der Scorecard werden Vertreter von Gesundheits-, Umwelt- und Sozialpolitik sowie Akteure aus der Wasser- und Abwasserwirtschaft und Vertreter der Zivilgesellschaft zusammengeführt, um gegen Ungleichheiten bei der Versorgung mit grundlegenden Leistungen vorzugehen. Auf der Tagung der Vertragsparteien soll auch eine Sondersitzung über gleichberechtigten Zugang zu sicherem Trinkwasser und einer geregelten Abwasserentsorgung stattfinden, auf der über gerechte und innovative Wege zur Gewährleistung eines allgemeinen Zugangs diskutiert und zu konkreten Maßnahmen zur Beseitigung von Ungleichgewichten aufgerufen werden soll.

Hinweis an Redakteure

  • Die dritte Tagung der Vertragsparteien wird eine Bilanz der Durchführung konkreter Maßnahmen in den letzten drei Jahren ziehen und über das künftige Vorgehen in verschiedenen Arbeitsbereichen im Rahmen des Protokolls über Wasser und Gesundheit (u. a. gleichberechtigter Zugang) diskutieren.
  • Das Protokoll über Wasser und Gesundheit zum Übereinkommen von 1992 über den Schutz und die Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen ist das erste umfassende internationale Rechtsinstrument zur Verhütung, Bekämpfung und Verringerung wasserbedingter Krankheiten in der Europäischen Region. Das Sekretariat des Protokolls wird von der UNECE und dem WHO-Regionalbüro für Europa gemeinsam gestellt.
  • In dem Protokoll wird angestrebt, in Bezug auf einen allgemeinen Zugang zur Trinkwasserversorgung und zur Abwasserbeseitigung ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, für alle Teile der Bevölkerung einen gleichberechtigten Zugang zu diesen Leistungen zu schaffen.
  • Die Scorecard für einen gleichberechtigten Zugang basiert auf drei von der UNECE und vom Regionalbüro aufgezeigten grundsätzlichen Anliegen (1): dem Abbau geografischer Ungleichgewichte, der Überwindung von Hindernissen für anfällige und marginalisierte Gruppen und der Auseinandersetzung mit dem Thema Bezahlbarkeit.
  • Die Europäische Region umfasst 53 Mitgliedstaaten mit einer Bevölkerung von knapp 900 Mio. Menschen.

Weitere Auskunft erteilen:

Information Unit
UNECE
Tel.: +41 (0) 22 917 44 44
E-Mail: info.ece@unece.org

Cristiana Salvi
Kommunikationsreferentin
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +45 39 17 13 79
E-Mail: csa@euro.who.int

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(1) Keine Verlierer: Gute Praxis zur Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zur Wasserver- und Abwasserentsorgung. Genf: UNECE; und Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa; 2012 (http://www.unece.org/index.php?id=29170).