Ansprache der Regionaldirektorin an das RC67

Ansprache von Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa, zur Arbeit des WHO-Regionalbüros für Europa

11. September 2017, Budapest

Gestatten Sie mir, Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Dänemark, die sehr geehrten Damen und Herrn Minister und ihre Delegationen und natürlich Herrn Generaldirektor Dr. Tedros herzlich willkommen zu heißen.

Herr Generaldirektor, wir teilen Ihren Traum, dass alle Menschen ein gesundes und produktives Leben führen können – unabhängig davon, wer sie sind und wo sie leben.

Nun, mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und der Zielsetzung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung können wir mit dem heutigen Wissensstand diesen Traum verwirklichen.

Wir müssen die Gesundheit in den Mittelpunkt der Entwicklung rücken und dabei das Recht auf Gesundheit, Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Universalität und Solidarität hervorheben.

Wir müssen Gesundheit als die klügste Investition sehen, als eine Investition, die sich wirklich auszahlt. Genau das tun wir in der Europäischen Region seit vielen Jahren.

Vor allem aber müssen wir ein starkes Engagement der Politik zur Verwirklichung dieser Ziele sicherstellen und dürfen dabei niemanden zurücklassen.

Denn Gesundheit ist wirklich eine Frage des politischen Willens. Von diesen Bemühungen zeugt auch die Anwesenheit von Regierungschefs und Stellvertretenden Regierungschefs auf dieser Tagung, die ich sehr begrüße.

Meine Damen und Herren!

In den Zielen für nachhaltige Entwicklung werden abgestimmte Maßnahmen zur Mobilisierung der notwendigen Mittel und zur Umsetzung der Ziele im Geiste weltweiter Solidarität gefordert. Unsere Prioritäten sind klar, und wir treiben die Umsetzung dieser gemeinsamen Verpflichtungen entschlossen voran. Unsere Schwerpunkte liegen darauf, vorhandene Ungleichgewichte in Angriff zu nehmen, niemanden zurückzulassen und die Aspekte Gleichstellung und Menschenrechte konsequent in alle Politikbereiche einzubeziehen. Unser Ziel muss die Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung sein. Wir müssen die Gesundheitssysteme stärken und dabei ein besonderes Augenmerk auf die primäre Gesundheitsversorgung legen. Wir müssen in allen Lebensphasen auf vorgelagerte Maßnahmen in den Bereichen Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention setzen. Dabei müssen wir an allen Determinanten von Gesundheit ansetzen, wenn wir Gesundheit und Wohlbefinden für alle verwirklichen wollen. Schließlich müssen wir auch unsere Vorsorge- und Gegenmaßnahmen in Bezug auf Notlagen stärken.

Meine Damen und Herren!

Meine Damen und Herren, wir sind inzwischen in der Lage, die zentralen strategischen Ziele und Grundsatzprioritäten von „Gesundheit 2020“ und das Ziel 3 und die anderen Zielvorgaben der SDG einander gegenüberzustellen. Im Laufe meines Vortrags werde ich mit der visuellen Präsentation diese Übereinstimmung zwischen den SDG und „Gesundheit 2020“ verdeutlichen.

Die erfreuliche Nachricht lautet: Wir haben Erfolg. Unsere Halbzeitbilanz der Umsetzung von „Gesundheit 2020“ zeigt deutlich, dass wir weiter auf bestem Wege zu einem gesünderen Europa sind. Gestatten Sie mir, dies anhand einiger Beispiele zu veranschaulichen:

Aus unseren neuesten Daten geht hervor, dass die Lebenserwartung in der Europäischen Region insgesamt inzwischen auf über 77 Jahre angestiegen ist. Die gesunde Lebenserwartung liegt im Durchschnitt bei 68 Jahren. Die Mortalität aufgrund der häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten ist in der Altersgruppe von 30 bis 69 Jahren für beide Geschlechter rückläufig. Seit 2003 erleben fast alle Länder einen Rückgang der vorzeitigen Sterblichkeit um durchschnittlich 2% bis 3% pro Jahr. Die Säuglingssterblichkeit befindet sich auf einem Allzeittief und liegt bei 6,7 Fällen pro Tausend Lebendgeburten.

Doch die Fortschritte sind ungleich verteilt.

Denn sowohl innerhalb von als auch zwischen Ländern bestehen große Ungleichheiten. So gibt es etwa bei der Lebenserwartung innerhalb der Europäischen Region eine Bandbreite von 13 Jahren: zwischen 70 und 83 Jahren. Bei den gesunden Lebensjahren gibt es Unterschiede um 13 Jahre: zwischen 60 und 73 Jahren. Bei der Säuglingssterblichkeit sind Unterschiede um mehr als den Faktor 10 festzustellen. Gravierende Unterschiede gibt es bei der Impfrate von Säuglingen gegen Röteln: sie liegt zwischen 42% und 99%. Dies sind besorgniserregende Ungleichheiten, die mit entschlossenen Maßnahmen bekämpft werden müssen.

Meine Damen und Herren!

Wir wissen, dass die Bedeutung von Gesundheit in der Agenda 2030 weit über das SDG 3 hinausgeht. Gesundheit ist auch eine wesentliche Komponente der anderen SDG und eine wichtige Antriebskraft, was die Komplexität sowie den vielfältigen und ressortübergreifenden Charakter von Gesundheit und ihren Determinanten verdeutlicht.

Die zentralen strategischen Ziele von „Gesundheit 2020“ sind wegweisend.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir unsere Arbeitsweise von Grund auf verändern. Wir müssen ressortübergreifende Synergieeffekte erschließen, Gemeinschaften und Einzelpersonen mobilisieren und die Zivilgesellschaft einbinden, indem wir einen Konsens zur Erfüllung der Zielvorgaben schaffen. Wir müssen uns nach Kräften darum bemühen, gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Lösungsansätze nach dem Grundsatz „Gesundheit in allen Politikbereichen“ zu verwirklichen.

Die Konferenz zur Förderung ressort- und organisationsübergreifender Maßnahmen, die im Dezember vergangenen Jahres in Paris stattfand, war ein gutes Beispiel für eine solche konstruktive Anstrengung. Ich danke der Regierung Frankreichs für die Ausrichtung der Konferenz, auf der erstmals Vertreter der Gesundheits-, Sozial- und Bildungspolitik aus den Ländern der Europäischen Region zusammentrafen.

In Paris haben wir uns auf konkrete Schritte geeinigt, die allen Kindern einen optimalen Start ins Leben und danach weiterhin gute Lebenschancen durch familiäre, gesundheitliche und soziale Unterstützung sowie Bildung ermöglichen sollen. Das Ergebnis der Konferenz gibt wichtige politische Impulse für unsere weitere ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die in Paris geschaffene Plattform wird, wie von den Mitgliedstaaten gewünscht, auf Dauer bestehen bleiben.

Für eine wirksame Umsetzung sind Partnerschaften von entscheidender Bedeutung. Das Regionalbüro hat in der Themenbezogenen Koalition für Gesundheit im Rahmen des Regionalen Koordinierungsmechanismus die Federführung unter den in der Europäischen Region tätigen Organisationen der Vereinten Nationen übernommen. Die Pariser Plattform und die Themenbezogene Koalition für Gesundheit sind inzwischen fest miteinander verknüpft.

Auch die subnationale Ebene spielt bei der Umsetzung eine entscheidende Rolle. Zu den wichtigsten Foren in Bezug auf diese Rolle zählen:

  • die Annahme der Kooperationszusage von Chisinau auf dem Ministerforum des Südosteuropäischen Gesundheitsnetzwerks;
  • die Ergebnisse der Tagung des Netzwerks Regionen für Gesundheit in Kaunas;
  • die Beschlüsse der Tagung der Initiative kleiner Länder in Malta; und
  • die Annahme der Erklärung von Pecs auf der Konferenz des Gesunde-Städte-Netzwerks der Europäischen Region der WHO.

Wir sind entschlossen, all diese Initiativen auch weiterhin zu unterstützen.

Mein Dank gilt auch den Kooperationszentren der WHO, die für uns ebenfalls wichtige Unterstützungsarbeit leisten.
Um Verbesserungen in Bezug auf Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit zu erreichen, müssen wir den Blick auf Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme für das 21. Jahrhundert richten, deren Ziel die Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung ist. Dies muss zu einem zentralen Bestandteil der Entwicklungsplanung der Länder werden.

Die Ergebnisse unserer Halbzeitbilanz verdeutlichen, dass „Gesundheit 2020“ in zunehmendem Maße zum Bestandteil der Gesundheitspolitik der Länder geworden ist und dort eine Vielzahl von Maßnahmen ausgelöst hat. So haben fast alle Länder inzwischen eine nationale Gesundheitspolitik, die sich an „Gesundheit 2020“ orientiert und in der auf der nationalen oder subnationalen Ebene Zielvorgaben oder Indikatoren festgelegt werden. Die meisten Länder verfügen auch über ein Konzept bzw. eine Strategie zur Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheiten.

Jetzt werden Investitionen in die Gesundheit benötigt, die sich möglichst viele Länder auch leisten können. Hier geht es nicht um wirtschaftliche Sachzwänge, sondern um eine politische Grundsatzentscheidung.

Die öffentliche Gesundheit ist eine Triebkraft für ausgewogene gesundheitliche Verbesserungen, und wir brauchen eine neue, stärkere Dynamik für den Gesundheitsschutz.

Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen, dass Interventionen in die öffentliche Gesundheit zur Kostensenkung beitragen und dass wir durch Investitionen in Konzepte für öffentliche Gesundheit in allen Teilen der Europäischen Region hohe Renditen für die Gesundheit und die nachhaltige Entwicklung erzielen können. Ein Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten um 1% pro Jahr würde einen jährlichen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts eines Landes um 0,15% bewirken.

Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention funktionieren. In den Ländern mit niedrigem bis mittlerem Volkseinkommen könnte eine Reduzierung der Zahl der Herzkrankheiten um 10% Kosteneinsparungen in Höhe von 20 Mrd. € pro Jahr zur Folge haben. Vor allem müssen wir in die soziale Sicherung investieren. Nach Schätzungen lässt sich durch Investitionen in die ersten Lebensjahre eine bis zu 17-fache Rendite erzielen. Dagegen drohen bei Untätigkeit erhebliche Kosten: die direkten und indirekten Kosten einer hohen Krankheitslast in den Ländern können sich auf bis zu 15% oder 20% des Bruttoinlandsprodukts belaufen. Außerdem gibt es Raum für höhere Investitionen in die öffentliche Gesundheit.

Um die Ziele im Bereich des Gesundheitsschutzes voranzutreiben, habe ich eine Studie in Auftrag gegeben, die die künftige Rolle des öffentlichen Gesundheitswesens definieren und die Bedeutung des Aufbaus institutioneller und personeller Kapazitäten näher untersuchen soll. Das daraus resultierende Informationsdokument wird dem Regionalkomitee vorgelegt.

Morgen werden wir uns mit dem Fahrplan zur Umsetzung der SDG befassen und auch über einen gemeinsamen Kontrollrahmen für „Gesundheit 2020“, nichtübertragbare Krankheiten und die SDG beraten.

Meine Damen und Herren!

Ich komme jetzt zu den Gesundheitssystemen.

Die allgemeine Gesundheitsversorgung ist ein einendes Konzept, eine Anlaufstelle für eine integrierte Bereitstellung von Gesundheitsversorgung und Gesundheitsschutz – und eine der stärksten Antriebskräfte in Richtung sozialer Gleichheit. Unsere Definition ist breit gefasst und deckt sowohl die Gesundheitsversorgung als auch die Bereiche Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention, Behandlung und Rehabilitation, jeweils unter Vermeidung finanzieller Härten, ab. Wir in Europa bekennen uns zur allgemeinen Gesundheitsversorgung und haben auf diesem Gebiet auch schon viel getan. Die Kernaussage, die sowohl in der Charta von Tallinn als auch in „Gesundheit 2020“ im Mittelpunkt steht, lautet: „Niemand sollte aufgrund von Gesundheitsproblemen in die Armut abrutschen“.

In den meisten Ländern der Europäischen Region gibt es eine Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung, doch dies allein ist noch keine Garantie für eine finanzielle Absicherung. Nach wie vor sind in vielen Ländern der Europäischen Region bei Gesundheitsausgaben hohe Zuzahlungen aus eigener Tasche weit verbreitet. Leistungsfähige Gesundheitssysteme bieten wirksamen finanziellen Schutz und beschränken die Zuzahlungen von Patienten auf maximal 15% der Gesamtausgaben für Gesundheit.

Viele Länder müssen den staatlichen Anteil der Finanzierung der Gesundheitsausgaben erhöhen und dies mit leistungsfähigeren Konzepten zur Stützung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen verbinden. Wir wachen über die finanzielle Absicherung und erstellen Schätzungen mittels eines neuen Ansatzes, der sich für die Länder der Region mit mittlerem bis hohem Einkommen eignet.

Eine entscheidende Voraussetzung für Fortschritte ist eine integrierte, bürgernahe Gesundheitsversorgung. Es gibt immer mehr Erkenntnisse über wirksame Konzepte, doch die Verwirklichung dieser komplexen Ziele ist nach wie vor eine Herausforderung, und es mangelt an fundierter Anleitung. Zusammen mit der Politik suchen wir nun nach einer Antwort auf die Frage, wie die konkreten positiven und negativen Einflussfaktoren für erfolgreiche und weitreichende Veränderungen in Angriff genommen werden können.

Wir stehen derzeit in den Vorbereitungen auf zwei hochrangige Tagungen über Gesundheitssysteme im Jahr 2018.

  • Die Tagung über Maßnahmen der Gesundheitssysteme zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, die im April in Spanien stattfindet, wird als ein Forum für die Bestandsaufnahme der Fortschritte dienen und Impulse für Maßnahmen auf der Grundlage der von uns durchgeführten Länderbewertungen geben.
  • Die Tagung mit dem Titel „Gesundheitssysteme für Wohlstand und Solidarität: niemanden zurücklassen“ findet im Juni anlässlich des zehnten Jahrestages der Unterzeichnung der Charta in Tallinn statt.

Beide Veranstaltungen sollen das Konzept von auf Werte gestützten Gesundheitssystemen bekräftigen und unsere Zukunftsvision für die Verwirklichung der Agenda 2030 umreißen.

Wir arbeiten auch darauf hin, die primäre Gesundheitsversorgung mit einem Gesundheitsschutzansatz im Zentrum der Gesundheitssysteme zu verankern. Das Zentrum für primäre Gesundheitsversorgung in Almaty ist inzwischen voll einsatzbereit, und ich möchte der Regierung Kasachstans an dieser Stelle für ihre Unterstützung herzlich danken. Im Juni 2017 habe ich den Beirat für primäre Gesundheitsversorgung eingesetzt, um im Vorfeld des 40. Jahrestages der Erklärung von Alma-Ata im Jahr 2018 die Entwicklung einer neuen Zukunftsvision für die primäre Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Ich möchte Sie herzlich einladen, zusammen mit Dr. Tedros an dieser hochrangigen globalen Tagung in Almaty teilzunehmen.

Unser in Barcelona angesiedeltes Fachzentrum zur Stärkung der Gesundheitssysteme bietet weiterhin Kurse zum Thema Gesundheitssysteme an. Ich danke der Regierung Spaniens für ihre anhaltende Unterstützung des Büros in Barcelona. Außerdem freue ich mich, hier zwei neue Seminare der WHO ankündigen zu können.

  • Das erste befasst sich mit der Stärkung der Gesundheitssysteme für eine wirksamere Prävention der Tuberkulose und hat als Zielgruppe Repräsentanten von Gesundheits- und Finanzministerien sowie Krankenversicherungen aus elf Ländern.
  • Das zweite war ein erstmals in russischer Sprache angebotenes Sommerseminar zum Thema Gesundheitsfinanzierung für eine allgemeine Gesundheitsversorgung, das im Juli in Kirgisistan stattfand.

Eine allgemeine Gesundheitsversorgung lässt sich auf Dauer nicht ohne ein motiviertes, angemessen ausgebildetes und effektiv geführtes Gesundheitspersonal aufrechterhalten. Die Zahl der Beschäftigten in den Gesundheitsberufen wächst weiter, und das Gesundheitswesen hat sich zu einem zentralen Wirtschaftszweig entwickelt, der in großer Zahl menschenwürdige Arbeitsplätze schafft. Wir sind führend in der Entwicklung von Personalkonzepten für das Gesundheitswesen und werden am Mittwoch den Handlungsrahmen präsentieren, der von einem Instrumentarium für die Umsetzung begleitet wird.

Die Herstellung eines bezahlbaren Zugangs zu wirksamen und hochwertigen Medikamenten ist ein weiteres wesentliches Element einer allgemeinen Gesundheitsversorgung und ein wichtiges Anliegen für viele Mitgliedstaaten. Medikamente sind der größte Kostentreiber in Bezug auf Zahlungen aus eigener Tasche, insbesondere in den ärmeren Ländern, und immer mehr Menschen können sich unentbehrliche und neue Medikamente nicht mehr leisten. Deshalb arbeitet die WHO an einem neuen Sozialpakt mit der Industrie, um zu einer fairen Preisgestaltung zu gelangen, die einen Zugang zu sicheren und bezahlbaren Medikamenten ermöglicht, gleichzeitig aber der Industrie Anreize für Innovationen bietet. Am Mittwoch werden wir einen Vorschlag zur Stärkung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten vorlegen.

In der Europäischen Region sind wir davon überzeugt, dass hochwertige Gesundheitsinformationen und Evidenz das Rückgrat einer soliden Gesundheitspolitik bilden. Da ich in den vergangenen Jahren ausführlich über diesen Themenkomplex berichtet habe, werde ich mich heute auf einige zentrale Bereiche beschränken. Ich freue mich, vermelden zu können, dass die Verbreitung von Gesundheitsinformationen sich weiter intensiviert hat und dass eine Reihe neuer Publikationen erhältlich sind. Ein Beispiel sind die Berichte des Health Evidence Network, die als eine zentrale Evidenzquelle dienen und verschiedene Grundsatzoptionen für die Politik darstellen. An dieser Stelle kann ich stolz vermelden, dass der Bericht des HEN über die kulturellen Kontexte von Gesundheit heute von der British Medical Association eine Auszeichnung als „besonders lesenswert“ erhalten wird.

Ich möchte auch die Bedeutung des Themenkomplexes e-Gesundheit hervorheben, der sich weiter entwickeln und unser bisheriges Verständnis von öffentlicher Gesundheit in Frage stellen wird. Ein wegweisender Erfolg war die im Mai auf Malta abgehaltene jährliche Konferenz zur Themenwoche e-Gesundheit, die von der Europäischen Kommission und dem maltesischen Gesundheitsministerium organisiert wurde. Gestatten Sie mir, Sie zu der Fachinformationssitzung am Donnerstag einladen, auf der wir uns ausführlich mit der strategischen Rolle von Big Data im Gesundheitsbereich befassen werden.

Meine Damen und Herren!

Die Bekämpfung und Zurückdrängung nichtübertragbarer Krankheiten steht im Mittelpunkt der SDG und des Rahmenkonzepts „Gesundheit 2020“.

Wie bereits erwähnt, lautet die gute Nachricht, dass es einen erheblichen Rückgang der Zahl der Todesfälle aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten gibt und dass auch die vorzeitige Mortalität, insbesondere aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deutlich rückläufig ist. Diese Fortschritte geben Anlass zu der Hoffnung, dass die Europäische Region die in den SDG enthaltene ehrgeizige Zielvorgabe einer Reduzierung der Zahl solcher Todesfälle sogar übertreffen könnte. Ich freue mich darauf, diesen Erfolg in Ihrem Namen auf der Globalen Konferenz der WHO über nichtübertragbare Krankheiten im Oktober in Uruguay präsentieren zu können.

Die Länder der Europäischen Region haben ihre Politiksteuerung verbessert. Nationale Aktionspläne und Zielvorgaben werden festgelegt, und Informationssysteme verbessert, und die Bewältigung nichtübertragbarer Krankheiten wird optimiert. Das in Moskau angesiedelte Fachzentrum der WHO für nichtübertragbare Krankheiten hat unsere Fähigkeit zur Unterstützung der Mitgliedstaaten verbessert. Deshalb möchte ich der Regierung der Russischen Föderation für ihre großzügige Unterstützung danken.

Dennoch haben wir in der Europäischen Region mit Blick auf die nichtübertragbaren Krankheiten immer noch eine paradoxe Situation.
Denn die Gesundheitssysteme stellen noch nicht all die Präventions- und Gesundheitsversorgungsmaßnahmen bereit, die sie liefern könnten. Tabak und Alkohol sind immer noch zu billig, und die Bevölkerung in der Europäischen Region konsumiert immer noch zu viel Zucker, Fett, Salz und Transfette. Und dann sind da noch die sozialen und umweltbedingten Faktoren. Auch sterben nach wie vor zu viele Männer im arbeitsfähigen Alter verfrüht an vermeidbaren Ursachen. Jetzt ist es Zeit für mutige Maßnahmen, die diesen Trends entgegenwirken und dazu beitragen, die nichtübertragbaren Krankheiten zu besiegen.

Wir können den Umgang mit nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und Krebs weiter verbessern. Wir könnten eine weitere Senkung der Krankheitslast erreichen, indem wir kosteneffektive Maßnahmen voll in die Praxis umsetzen.

Meine Damen und Herren!

Unser Ziel besteht darin, die großen impfpräventablen Krankheiten in der Europäischen Region zu eliminieren, und wir haben schon gute Fortschritte hin zur Eliminierung der Masern und Röteln erreicht. Seit der letzten Tagung des Regionalkomitees ist die Unterbrechung der endemischen Übertragung der Masern und Röteln in weiteren fünf Ländern gelungen, sodass die Gesamtzahl nun bei 42 Ländern liegt. Doch die Rückschläge aufgrund der in jüngster Zeit in einigen Ländern aufgetretenen Ausbrüche von Masern mit komplizierten und sogar tödlichen Krankheitsverläufen sind nicht hinnehmbar und deuten auf Defizite im Impfwesen der betreffenden Länder hin.

Im Europäischen Impfaktionsplan wird das Recht jedes Kindes und jedes Erwachsenen auf Impfung anerkannt. Wir haben viel erreicht, aber noch nicht genug.

Vor uns liegen komplexe Hindernisse, etwa Engpässe bei der Versorgung mit Impfstoffen, eine nicht nachhaltige Finanzierung, mangelnder politischer Wille und allgemeine Untätigkeit in Bezug auf Krankheiten, die nicht mehr weit verbreitet sind. Die Sicherstellung eines chancengleichen Zugangs zu Impfmaßnahmen ist nach wie vor eine vorrangige Aufgabe. Ich persönlich habe mich sehr aktiv dafür eingesetzt, diesem Trend entgegenzuwirken, und um ein Engagement der Politik geworben und die Öffentlichkeit sensibilisiert, um sachgerechte und verantwortungsbewusste Entscheidungen herbeizuführen.

Die Europäische Impfwoche ist weiterhin unsere Flaggschiffveranstaltung, bei dem wir anhaltende Unterstützung durch unsere Schirmherrin, Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Dänemark, genießen.

Nachdem im vergangenen Jahr mit der Unterbrechung der einheimischen Übertragung von Malaria in der Europäischen Region ein bahnbrechender Erfolg erreicht wurde, gelten unsere Bemühungen nun einer Verhinderung der Wiedereinführung der Krankheit. Um den Status als malariafrei aufrechterhalten und auch gegen andere Vektorkrankheiten wirksam vorgehen zu können, sind anhaltende Wachsamkeit, eine leistungsfähige Surveillance sowie eine ressortübergreifende und grenzüberschreitende Zusammenarbeit unverzichtbar. Wie auf der Weltgesundheitsversammlung vereinbart, werden wir mit Ihnen in einer Sitzung am Donnerstag über die Ausarbeitung eines Europäischen Aktionsplans zur Bekämpfung von Vektorkrankheiten beraten und dabei an dem bestehenden Handlungsrahmen für die Bekämpfung von Vektorkrankheiten anknüpfen.

Dank Ihrer intensiven Anstrengungen und der unserer Partnerorganisationen, insbesondere des Globalen Fonds, kann Europa in den letzten fünf Jahren von allen WHO-Regionen den schnellsten Rückgang von Inzidenz und Mortalität der Tuberkulose vorweisen. Dennoch stellen Tuberkuloseerkrankungen – und insbesondere ihre resistenten Formen – mit über 300 000 Fällen in diesem Jahr weiter eine erhebliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar.

Außerdem steigt die Zahl der Tuberkulose/HIV-Koinfektionen um jährlich 6,2%.

Eine wichtige neue Stoßrichtung besteht nun darin, die durch die Gesundheitssysteme bedingten Barrieren in Angriff zu nehmen und auf integrierte Versorgungsmodelle mit nachhaltiger Finanzierung umzustellen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Russische Föderation im November Gastgeberin der ersten globalen Ministerkonferenz zum Thema Tuberkulose sein wird, deren Ergebnisse in die 2018 stattfindende Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf hoher Ebene einfließen werden. Sowohl der Generaldirektor als auch ich werden zu dieser Tagung reisen, und ich möchte Sie alle dazu aufrufen, ebenfalls an dieser wichtigen Veranstaltung teilzunehmen.

Bei der Bekämpfung des HIV herrscht dringender Handlungsbedarf, da sich die Epidemie im östlichen Teil der Region mit alarmierender Geschwindigkeit ausbreitet. So ist die Zahl der Neuinfektionen in der Europäischen Region insgesamt seit 2006 um 75% gestiegen und hat sich in Osteuropa und Zentralasien sogar mehr als verdoppelt, wobei der Anstieg hauptsächlich auf zwei Länder zurückzuführen ist.

Im vergangenen Jahr haben Sie dem neuen Aktionsplan zugestimmt und sich dazu verpflichtet, beschleunigte und innovative Maßnahmen gegen HIV zu ergreifen. Ich möchte nochmals die betroffenen Länder dringend zu umgehenden Maßnahmen und einer Verstärkung ihres politischen Engagements auffordern. Wir müssen den Aktionsplan in seiner Gesamtheit umsetzen, indem wir evidenzbasierte Konzepte einführen, die eine Trendwende in der Epidemie herbeiführen.

Ich darf Sie an die 22. Internationale Aids-Konferenz erinnern, die auf Einladung der Niederlande im Juli 2018 stattfindet und die ein hervorragendes Forum für den Informations- und Wissensaustausch ist.

Der Aktionsplan der Europäischen Region gegen Virushepatitis hat zu einem verstärktem Engagement und einer Verbesserung des Zugangs zu Angeboten im Bereich der Virushepatitis geführt, zu denen auch eine Behandlung der Hepatitis C in allen Teilen der Region zählt. Wenn wir die Virushepatitis eliminieren wollen, müssen wir an diese positive Dynamik anknüpfen und umfassende Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Diagnose und Behandlung ergreifen.

Nun, da sich die globale Dynamik zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen fortsetzt, ist es aus meiner Sicht erfreulich, dass mehr Länder in unserer Region ressortübergreifende nationale Aktionspläne anstreben. Wir arbeiten in zunehmendem Maße mit Organisationen der Vereinten Nationen und mit Entwicklungsorganisationen zusammen, um dieser globalen Bedrohung entgegenzuwirken. Ich möchte mich bei der Regierung Deutschlands dafür bedanken, dass sie in diesem Jahr Gesundheit in den Mittelpunkt der Tagesordnung der G20 gestellt hat und sich mit der Erklärung von Berlin zu einem entschlossenen Vorgehen gegen AMR und andere globale gesundheitliche Herausforderungen verpflichtet hat.
Wir werden gemeinsam darauf hinarbeiten, den Aktionsplan der Europäischen Region zusammen mit dem von der EU vor kurzem angenommenen Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen der Initiative „Eine Gesundheit“ umzusetzen. Im November wird die Welt zum dritten Mal die Weltantibiotikawoche begehen. Im vergangenen Jahr nahmen an der Kampagne 47 Länder der Europäischen Region teil, und ich habe die aufrichtige Hoffnung, dass in diesem Jahr alle 53 Länder dabei sind. Auch hier möchte ich mich wieder für die wertvolle Unterstützung durch unsere Schirmherrin bedanken.

Meine Damen und Herren!

Eine weitere Priorität der Tätigkeit des Regionalbüros sind Vorsorge- und Gegenmaßnahmen in Bezug auf gesundheitliche Notlagen.
Deshalb freue ich mich, hier verkünden zu können, dass das neue Programm der WHO für gesundheitliche Notlagen nun vollständig funktionsfähig ist. Es gelten neue Standardverfahren, und der aktualisierte Rahmen für die Reaktion im Krisenfall ist bereits in Betrieb; davon zeugt auch die schnelle und effiziente Reaktion auf sämtliche gesundheitlichen Notlagen in letzter Zeit.

In der Europäischen Region besteht unsere vorrangige Aufgabe darin, die Bereitschaftsplanung für Notlagen und die IGV-Kapazitäten zu stärken und mit den Funktionen der Gesundheitssysteme und der öffentlichen Gesundheitsdienste zu verknüpfen. Nach Maßgabe der IGV und unter Nutzung gefahren- und ressortübergreifender und gesamtgesellschaftlicher Lösungsansätze werden eine Reihe gezielter Interventionen in vorrangigen Ländern durchgeführt. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf anfälligen Bevölkerungsgruppen und soll stärkere Verknüpfungen zwischen humanitärer Hilfe und Entwicklung schaffen und dabei ein besonderes Gewicht auf den Aspekt der Chancengleichheit legen.

Die Ausweitung der Kernkapazitäten für die IGV sowie der Partnerschaften unter Einbindung aller maßgeblichen Akteure auf nationaler und internationaler Ebene sowie der Zivilgesellschaft steht im Mittelpunkt unserer Arbeit im Bereich der Gesundheitssicherheit. Es kommt entscheidend darauf an, dass sich die Länder zu einer umfassenden und vollständigen Umsetzung der IGV verpflichten. Die Schaffung des Fachzentrums der WHO für Bereitschaftsplanung für Notlagen in Istanbul wird eine weitere Stärkung unserer Kapazitäten auf diesem Gebiet bewirken, und ich danke der Regierung der Türkei für ihre Unterstützung.

Dank einer Verbesserung der Abstimmung bei den gemeinsamen Anstrengungen mit unseren Partnerorganisationen haben wir bei den Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung zweier langwieriger Krisen in der Europäischen Region die Federführung übernommen.

In der Ukraine war die WHO über ihr Länderbüro in Kiew und drei Feldbüros als federführende Organisation im Bereich der internationalen humanitären Hilfsmaßnahmen tätig. Zusammen mit ihren Partnerorganisationen hat die WHO medizinische Hilfsgüter ausgeliefert und entlang der Kontaktlinie mobile Noteinrichtungen der primären Gesundheitsversorgung aufgebaut, in denen überwiegend Binnenvertriebene versorgt werden. Darüber hinaus waren fachübergreifende Teams bei der Bereitstellung von Angeboten in der psychischen Gesundheitsversorgung und der psychosozialen Betreuung behilflich, und Sentinel-Standorte haben mit einer regelmäßigen Berichterstattung über Infektionskrankheiten begonnen.

Die Türkei hat über 3 Mio. syrische Flüchtlinge aufgenommen – mehr Flüchtlinge als jedes andere Land weltweit. Die WHO hat zusammen mit dem türkischen Gesundheitsministerium die Federführung bei der gesundheitlichen Versorgung übernommen, um den Zugang der Flüchtlinge zu unentbehrlichen Gesundheitsleistungen zu verbessern. Ein wichtiges neues türkisches Gesetz hat die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass syrische Gesundheitsfachkräfte, nachdem sie die erforderlichen Schulungen durchlaufen haben, Flüchtlinge medizinisch versorgen dürfen. So konnten wir bisher fast 2000 syrische Ärzte, Pflegekräfte und Dolmetscher für einen Einsatz in der primären und sekundären Gesundheitsversorgung schulen. Dieses neue Modell hat sich in der Türkei im Hinblick auf die Herstellung eines allgemeinen Zugangs zur Gesundheitsversorgung für die Flüchtlinge bewährt und kann als positives Beispiel für andere Länder dienen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden.

Gemäß dem „gesamtsyrischen Ansatz“ leisten das Länderbüro der WHO in Ankara und die Außenstelle in Gaziantep weiterhin unter extrem schwierigen Bedingungen grenzüberschreitende humanitäre Hilfe im Norden Syriens. Die WHO und ihre Partner im Gesundheitsbereich haben Notfall-Kits, Arzneimittel und Hilfsgüter geliefert, die primäre Gesundheitsversorgung sichergestellt, psychiatrische und psychosoziale Unterstützung angeboten und Impfmaßnahmen für Kinder bereitgestellt.

Besorgniserregend ist die Entdeckung von 39 Fällen von vakzine-abgeleiteten Polioviren des Typs 2 im Norden Syriens. Dank unserer effektiven Partnerschaft mit dem Regionalbüro für den östlichen Mittelmeerraum konnten trotz des anhaltenden Konflikts 84% der anfälligen Kinder erreicht werden, sodass eine Eindämmung des Ausbruchs gelang.

Meine Damen und Herren!

Wir müssen uns aus dem Korsett einer eng abgegrenzten Gesundheitsversorgung befreien und uns hin zu einem weiter gefassten ressortübergreifenden Rahmen bewegen, in dem alle Determinanten auf umfassende Weise und mit voller Unterstützung durch die Politik in Angriff genommen werden. Gesundheit wird im Laufe des Lebens von zahlreichen miteinander verwobenen Determinanten beeinflusst, die durch eine Vielzahl von Handlungskonzepten, Umfeldern und Normen der Gesellschaft beeinflusst werden. So können Determinanten wie gesundheitliche Ungleichheiten eine ernsthafte Bedrohung für die ökonomische und soziale Entwicklung sowie die politische Stabilität eines Landes darstellen. Bildungsniveau sowie Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wirken sich stark auf Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit aus.

Fortschritte in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden lassen sich nicht erzielen, wenn nicht alle Determinanten von Gesundheit in Angriff genommen werden, also politische, ökonomische, umweltbedingte, soziale, verhaltensbezogene, kulturelle und kommerzielle Determinanten. Hier war das Regionalbüro als wichtiger Fürsprecher tätig und hat einschlägige Erkenntnisse gesammelt und als Moderator für die Umsetzung in den Ländern fungiert.

Mit Blick auf Verhaltensweisen sind Chancen zu gesundheitsförderlichen Entscheidungen sozial vorgegeben und werden von sozialen und ökonomischen Normen und Konzepten beeinflusst. Lassen Sie mich kurz auf einige verhaltensbezogene Determinanten eingehen.
Bei der Eindämmung des Tabakkonsums können wir Fortschritte vorweisen. Ein Beispiel hierfür ist der globale Trend hin zu neutralen Verpackungen für Tabakerzeugnisse. In diesem Zusammenhang möchte ich jenen sieben Mitgliedstaaten in der Europäischen Region danken, die bei dieser globalen Anstrengung mit gutem Beispiel vorangegangen sind, indem sie gesetzliche Vorschriften über neutrale Verpackungen einführten. Leider verläuft trotz rückläufigen Tabakkonsums unter Erwachsenen in einigen Ländern der Rückgang der Raucherzahlen in der Europäischen Region insgesamt immer noch schleppend.

Ich möchte mich bei der Regierung Turkmenistans bedanken, die unsere Arbeit zur Eindämmung des Tabakgebrauchs unterstützt. Wir werden die Ergebnisse rechtzeitig für die Zweite Ministerkonferenz über nichtübertragbare Krankheiten im kommenden Jahr fertig stellen. Lassen Sie mich meinen dringenden Appell an alle Mitgliedstaaten wiederholen, das Protokoll zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen zu ratifizieren. Zum Inkrafttreten des Protokolls benötigen wir, wie schon der Herr Generaldirektor heute morgen erklärt hat, noch weitere zehn Ratifizierungen.

Der Rückgang des Alkoholkonsums in der Europäischen Region verläuft einfach zu langsam, um das Ziel einer zehnprozentigen Senkung bis 2025 zur Erfüllung der globalen Zielvorgabe für 2030 zu erreichen. Viele Länder führen die kostengünstigsten Maßnahmen zur Senkung des Alkoholkonsums durch und ergreifen gesetzgeberische Maßnahmen zur Kontrolle von Preis, Verfügbarkeit und Vermarktung – aber es bleibt noch viel zu tun.

Die Ausbreitung der Adipositas und ungesunder Ernährungsgewohnheiten ist in hohem Maße besorgniserregend. Dies gilt insbesondere unter Kindern und Jugendlichen, deren Altersgruppe allein das Risiko birgt, dass unsere Fortschritte hinsichtlich der vorzeitigen Sterblichkeit stagnieren oder sich gar umkehren. Wir müssen neue Lösungen finden, mit anderen Worten: schnellere und wirksamere Präventionsmaßnahmen.

Meine Damen und Herren!

Gesundheitliche Ungleichheiten haben ihren Ursprung in den sozialen Determinanten von Gesundheit. Gesundheitliche Ungleichheiten betreffen alle, nicht nur die Armen. Die Folgen für ein Land sind verminderte Wirtschaftskraft, langfristige soziale Ungerechtigkeit und letztendlich politische Instabilität.

Die Europäische Region war die treibende Kraft hinter Maßnahmen zu den sozialen Determinanten sowie bei der Entwicklung und Erhaltung ressortübergreifender Lösungsansätze. Wir benötigen konzertierte und integrierte Konzepte und Politikansätze von Staat und Gesellschaft, die besonderen Nachdruck auf die soziale Absicherung legen. Dies sollte heute eine Priorität für alle Regierungen sein.

Unser Büro für Investitionen in Gesundheit und Entwicklung in Venedig hat wesentlich zur Zusammenstellung einschlägiger Erkenntnisse und zur Überzeugungsarbeit für Maßnahmen und konzeptionelle Ansätze für die sozialen Determinanten von Gesundheit beigetragen. Es hat gerade neue Räumlichkeiten bezogen, und ich möchte der italienischen Regierung und der Region Veneto für ihre anhaltende Unterstützung danken.
Umweltfaktoren sind nach Schätzungen jedes Jahr für ca. 1,4 Millionen Sterbefälle in unserer Region verantwortlich, die verhindert werden könnten.

Die politische Entschlossenheit zur Bekämpfung dieser nicht hinnehmbaren Belastung wurde auf der Sechsten Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit im Juni in Ostrava erneut bekräftigt. Die Konferenz wurde gemeinsam mit der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sowie unter aktiver Beteiligung von Städten und Regionen durchgeführt. Ich danke der Regierung der Tschechischen Republik und den regionalen Behörden aufrichtig für ihre Gastfreundschaft. Mit der Erklärung von Ostrava haben die Mitgliedstaaten ihre Bereitschaft erklärt, die maßgeblichen Zielvorgaben der SDG zu erreichen und bis spätestens Ende 2018 die Maßnahmen zur Umsetzung auf der nationalen Ebene zu verstärken.

Ich danke der Regierung der Bundesrepublik Deutschland für die anhaltende Unterstützung des Europäischen Zentrums der WHO für Umwelt und Gesundheit in Bonn. Dieses Zentrum wird weiter umfassende fachliche Unterstützung im Bereich Umwelt und Gesundheit leisten und sich dabei inhaltlich auf die in der Erklärung von Ostrava genannten sieben vorrangigen Handlungsfelder konzentrieren.

Vor einem Jahr, meine Damen und Herren, haben wir das Ergebnis der Ministerkonferenz in Belarus über den Lebensverlaufansatz erörtert. Wir waren uns darin einig, dass wir die Wirksamkeit von Interventionen im gesamten Lebensverlauf erhöhen müssen, um unser Ziel der Chancengleichheit in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden für alle verwirklichen zu können. In diesem Jahr möchte ich mich daher auf wenige ausgewählte Themen konzentrieren.

Lassen Sie mich betonen, dass die Gesundheit von Frauen, Kindern und Jugendlichen ebenso eine Priorität bleibt wie die Umsetzung des Aktionsplans zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Wir unterstützen die Länder darin, ihre eigenen nationalen Konzepte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu entwickeln. Gemäß Ihrem Wunsch nach mehr Orientierungshilfen auf diesem Gebiet haben wir mit der Entwicklung von Konzepten für Sexualerziehung und Gesundheitsförderung begonnen.

Wenn es uns ernst damit ist, niemanden zurücklassen zu wollen, dann müssen wir unsere Anstrengungen für Menschen mit psychischen Störungen und psychosozialen Behinderungen verdoppeln. Die Verbesserung von Normen und Qualität der Versorgung in Langzeiteinrichtungen anhand eines auf Menschenrechte gestützten Ansatzes wird das Thema des morgigen Mittagessens für die Minister sein, das sich auch mit Strategien zur Prävention und Behandlung von Depressionen befassen wird – dem Thema des diesjährigen Weltgesundheitstages.
Eine weitere Gruppe, die wir nicht zurücklassen dürfen, sind Migranten und Flüchtlinge.

Die Europäische Region hat hier durch konsequente Umsetzung ihres Aktionsplans eine Führungsrolle übernommen. Wir haben erheblich zur Entwicklung des globalen Rahmens für Prioritäten und Leitgrundsätze zur Förderung der Gesundheit von Flüchtlingen und Migranten auf der Weltgesundheitsversammlung beigetragen. Jetzt sollten wir uns vereint dafür einsetzen, dass Gesundheit im Globalen Pakt für Flüchtlinge sowie im Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, die beide gegenwärtig im Rahmen der Vereinten Nationen entwickelt werden, als wesentlicher Aspekt anerkannt wird.

Im November wurde mit Unterstützung Italiens und des Regionalen Gesundheitsrates von Sizilien das Wissenszentrum für Migration und Gesundheit der Europäischen Region der WHO eröffnet. Dort fand in diesem Jahr das erste Sommerseminar zum Thema Gesundheit von Flüchtlingen und Migranten statt.

Meine Damen und Herren!

All unsere Arbeit geschieht zusammen mit den Ländern und für sie und rückt ihren gesundheitlichen Bedarf in den Mittelpunkt. Ich möchte allen Mitgliedstaaten für ihr Engagement und die ausgezeichnete Kooperation für mehr Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung in der Europäischen Region danken.

Die Mitarbeiter der Länderbüros stehen bei der Umsetzung unserer Verpflichtungen an vorderster Linie. Ungeachtet der Tatsache, dass wir am Sitz des Regionalbüros weiter hochkompetentes Personal beschäftigen, haben wir auch die Kapazitäten in den Länderbüros deutlich gestärkt. Die Zahl international rekrutierter Leiter der Länderbüros hat sich seit 2014 verdreifacht. Ich möchte bei dieser Gelegenheit all meinen Kolleginnen und Kollegen für ihren engagierten und vorbildlichen Einsatz danken.

Wir legen Ihnen auf diesem Regionalkomitee ein Dokument vor, in dem die Länderpräsenz der WHO in der Europäischen Region näher erläutert und einige Beispiele für unsere umfassende Arbeit in den Ländern angeführt werden. In der Fachinformationssitzung am Dienstag werden wir uns damit befassen, wie das Regionalbüro seine Tätigkeit in den Ländern ausgeweitet hat, damit sie allen 53 Mitgliedstaaten zugute kommt.

Auch in diesem Jahr boten Ministerbesuche wieder exzellente Gelegenheiten zur Erörterung der strategischen Ziele der Europäischen Region und der Prioritäten der Länder sowie zum Ausbau der Zusammenarbeit. Insgesamt konnten wir beim Regionalbüro 15 Minister und andere hochrangige Delegationen begrüßen. Ich selbst hatte die Gelegenheit, 28 Länder zu besuchen, und ich bin außerordentlich dankbar für das starke politische Engagement, das ich bei diesen Besuchen erlebt habe. Dabei hatte ich neben meinen Gesprächen mit Gesundheitsministern auch die Ehre, mit Staats- und Regierungschefs zusammenzutreffen, und so die Gelegenheit, auf höchster politischer Ebene für gesundheitliche Belange zu werben und gesundheitliche Ziele voranzutreiben.

Wie ich in meiner Rede mehrfach betont habe, gehen wir bei unserer Arbeit stets zusammen mit unseren Partnern vor, und ich freue mich, so viele von ihnen heute hier bei uns zu sehen. Wir werden auch weiter auf den bestehenden Partnerschaften aufbauen. Mit der vorgeschlagenen Partnerschaftsstrategie möchten wir unsere Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen auf allen Ebenen ausbauen, auch mit der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft. Ein Verfahren zur Akkreditierung nichtstaatlicher Akteure für die Anwesenheit auf Tagungen des Regionalkomitees wird Ihnen im Laufe der Woche zur Prüfung vorgelegt.

Meine Damen und Herren!

Im aktuellen Zweijahreszeitraum haben wir den soliden Rahmen für die Rechenschaftslegung zum Zwecke besserer Ergebnisse beibehalten und das Risikomanagement in alle Betriebsabläufe integriert. In Bezug auf Risiken für die Einhaltung der Regeln und Vorschriften gilt eine Null-Toleranz-Politik.

Wir werden Ihnen hier den Plan für die Umsetzung des Programmhaushalts 2018–2019 in der Europäischen Region vorlegen, der das Ergebnis unser gemeinsamen, von unten nach oben verlaufenden Planung (Bottom-up-Ansatz) in Bezug auf den Beitrag der Europäischen Region zur Verwirklichung der globalen Outputs ist. Er bildet einen Kontrakt zwischen uns, der eine geregelte Rechenschaftslegung sicherstellen soll.

Die Reform der WHO wird mittels eines Bottom-up-Ansatzes unter Beteiligung der Bediensteten fortgesetzt. Bei der Mittelbeschaffung werden eine stärkere Partnerschaft auf der Länderebene mit zuvor festgelegten Schwerpunkten sowie eine klare Vermittlung der dabei erzielten Ergebnisse angestrebt, um eine sinnvolle Rechenschaftslegung zu gewährleisten.

Heute werden wir über den Entwurf des Dreizehnten Allgemeinen Arbeitsprogramms beraten, das einen mit den SDG abgestimmten Rahmen bildet und sich vor allem mit Gesundheitspolitik und Gesundheitssystemen für das 21. Jahrhundert und ihrem Beitrag zur Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung befasst.

Ich sehe Ihren Beiträgen zur gemeinsamen Festlegung unser Zukunftsvision und künftigen Prioritäten erwartungsvoll entgegen.

Meine Damen und Herren!

Gesundheit und Wohlbefinden stehen im Mittelpunkt der menschlichen Entwicklung.

Wir verfügen heute über so viel Wissen über Gesundheit und Wohlbefinden und über entsprechende Erkenntnisse über die Determinanten von Gesundheit und das Zusammenwirken zwischen ihnen. Wenn wir entschlossen handeln, haben wir die Chance, Lebenserwartung und Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Wir müssen uns erneut zu diesen Zielen bekennen und dabei die Grundsätze der Chancengleichheit und der Solidarität wahren. Die Agenda 2030 und „Gesundheit 2020“ weisen uns den Weg. Wir benötigen ein entschlossenes Engagement von Politikern, Entscheidungsträgern und Fachwelt – und von der Bevölkerung in der Europäischen Region.

Die Themen, mit denen wir uns hier befassen, stellen sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung dar: Die WHO ist entschlossen, mehr Gesundheit für die Europäische Region zu schaffen, und zwar auf ausgewogene und nachhaltige Art, und getreu der Maxime, niemanden zurückzulassen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.