Mehr Gesundheit für Europa: Anpassung des Regionalbüros an sich verändernde Rahmenbedingungen in der Europäischen Region

Rede der Regionaldirektorin auf der 60. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa

Moskau

13. September 2010

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Minister, Exzellenzen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren!

Gestatten Sie mir, Ihnen zu Beginn noch einmal für das Vertrauen zu danken, das Sie vor genau einem Jahr in mich gesetzt haben. Damals nannten Sie meine Zielvorstellungen ehrgeizig, aber notwendig. Heute stehe ich nun vor Ihnen, um Ihnen unsere feste Entschlossenheit zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen zuzusichern und um Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung zu gewinnen. Erlauben Sie mir deshalb, Ihnen nun zu erläutern, was wir bisher erreicht haben und welche Pläne wir für die Zukunft haben. Ihre Beiträge während dieses Regionalkomitees sind eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir uns voranbewegen und die Arbeit der kommenden Jahre sinn-voll gestalten können.

Die WHO ist als Organisation für ihre Arbeit auf dem Gebiet der öffentlichen Gesund-heit in der ganzen Welt bekannt. Ebenso wie die zuständigen Akteure in vielen anderen Teilen der Welt muss sich auch das Regionalbüro in der Europäischen Region eine Führungsrolle verdienen und bei der Auseinandersetzung mit Fragen der Gesundheitsförderung und Gesundheitspolitik ein hohes Maß an Fachkompetenz sicherstellen.

Ich werde daher alles in meiner Macht Stehende dazu tun, um das Regionalbüro zu stärken und die einzigartige Rolle der WHO in der Europäischen Region zu festigen, Sie in Ihrem wichtigen Streben nach einer weiteren Verbesserung der Gesundheitssituation der Bevölkerung in der Europäischen Region zu unterstützen und ein hohes Maß an Kompetenz in der Organisationsführung sowie an wissenschaftlicher Qualität und Kompetenz in unserer inhaltlichen Arbeit zu gewährleisten.

Die neuen Herausforderungen, vor denen wir in der Europäischen Region stehen, lassen uns einen Moment innehalten, um Bilanz zu ziehen, unsere Vision zu erneuern, uns für unsere Führungsrolle im Gesundheitsbereich die nötige Anerkennung zu sichern und unsere Zusammenarbeit mit Ihnen, den Mitgliedstaaten, weiter zu intensivieren und ihr eine stärker strategische Ausrichtung zu geben. Wir müssen unsere Partnerschaften erneuern und wiederbeleben, um in der Europäischen Region mehr Politikkohärenz zu erhalten, und auf den enormen fachlichen, inhaltlichen und institutionellen Kapazitäten aufbauen, die in der gesamten Europäischen Region vorhanden sind.

Damit wir dies erreichen können, ist mein wichtigstes Anliegen die weitere Stärkung des Regionalbüros für Europa. Deshalb habe ich sieben grundlegende strategische Stoßrichtungen und Prioritäten vorgestellt, die auf dieser und auf künftigen Tagungen des Regionalkomitees erörtert werden sollen. Wir haben bereits sämtliche von ihnen in Angriff genommen, doch sind wir für eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend auf Ihre aktive Beteiligung als Mitgliedstaaten in der Europäischen Region angewiesen. Erlauben Sie mir, Ihnen schon in diesem Stadium einige der wichtigsten Punkte vorzustellen und dazu Ihren Rat einzuholen.

Sieben neue strategische Stoßrichtungen und Prioritäten

Eine neue europäische Gesundheitspolitik – Gesundheit 2020 – soll in einem partizi-patorischen Prozess mit Beteiligung der Mitgliedstaaten und anderer Partner herbeigeführt werden. Dadurch soll ein evidenzbasiertes und kohärentes Rahmenkonzept ge-schaffen werden, das sich mit den neueren Herausforderungen für Gesundheit und ge-sundheitliche Chancengleichheit auseinandersetzt und evidenzbasierte und kostenwirksame Konzepte und Strategien für ihre erfolgreiche Bewältigung beinhaltet. Dieses Grundsatzkonzept wird von Evidenz geprägt sein; so wird u. a. auch eine Studie der Eu-ropäischen Region zu den sozialen Determinanten von Gesundheit inhaltlich einfließen.

Gesundheit 2020 beinhaltet für das Regionalbüro die Chance, sein Bekenntnis zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu erneuern, der in vielen Ländern Europas auf eine lange und stolze Tradition zurückblicken kann. Dabei ist ein erneuter Nachdruck auf die Weiterentwicklung der öffentlichen Gesundheitssysteme in der Region und ihrer Kapa-zitäten und Funktionen ebenso von entscheidender Bedeutung wie angemessen ausgebildete Fachkräfte, die eine wirksame Gesundheitsförderung in der Bevölkerung betreiben. Um die Krankheitslast und den Druck auf die Gesundheitssysteme zu verringern, müssen die Investitionen in die Prävention erhöht werden.

Durch Gesundheit 2020 wollen wir die strategischen Verknüpfungen zwischen der öf-fentlichen Gesundheit und den Gesundheitssystemen (und insbesondere der primären Gesundheitsversorgung) weiter verdeutlichen. Dieses ganzheitliche Konzept für die Gesundheitssysteme ist in der Charta von Tallinn verankert. Die neue Politik wird auch Gesundheit als eine entscheidende Voraussetzung für Entwicklung herausstellen und aufzeigen, wie umfassend der Gesundheitsbereich mittlerweile ist, und Verknüpfungen zu anderen Politikbereichen und Umfeldern herstellen. So wird aktiv für Gesundheit als eine staatliche Gesamtverantwortung geworben, bei der die Gesundheitsminister die Federführung innehaben.

Gesundheit 2020 wird den Mitgliedstaaten auch als Inspiration im Hinblick auf die Weiterentwicklung, Erneuerung und Aktualisierung ihrer nationalen Gesundheitskon-zepte und -strategien dienen. Die Organisation als Ganzes ist entschlossen, dies zusam-men mit den Ländern zu tun. Die Federführung liegt unmittelbar beim Global Policy Council (GPC) unter dem Vorsitz der Generaldirektorin. Ich unterstütze diesen Prozess uneingeschränkt.

Intern wurde mit der Arbeit in diesem Bereich bereits begonnen, um den Prozess auszugestalten. Ich freue mich auf Ihre Beiträge zu diesem Thema bei der morgen stattfindenden Podiumsdiskussion der Minister.

Die Führungsarbeit beim WHO-Regionalbüro für Europa soll kontinuierlich ver-stärkt werden. Die WHO ist eine Vereinigung von Mitgliedstaaten. Deshalb spielen ihre leitenden Organe eine entscheidende Rolle bei der Formulierung von Konzepten und Strategien mit regionaler Ausprägung.

Ein starkes Regionalkomitee, das die nötige Unterstützung erhält, ist das Forum für die wichtigen Grundsatzdialoge und Entscheidungen, die die Arbeit der WHO in der Region prägen. Daher werden Ihnen am Nachmittag während der Sitzung zum Thema Führungsfragen hierzu mehrere Vorschläge vorgelegt. Das konkrete Ziel besteht darin, mit einer inhaltlich ansprechenden Tagesordnung hochrangige Entscheidungsträger wie Sie zur Teilnahme an dieser und an künftigen Tagungen des Regionalkomitees zu bewegen. Die aktive Beteiligung der Mitgliedstaaten wird gefördert, damit sie Eigenverantwor-tung erhalten und sich für die konkrete Umsetzung engagieren.

Ministerkonferenzen waren in der Vergangenheit erfolgreich und werden auch in Zukunft stattfinden, jedoch nur zu gemeinsamen vorrangigen Themen und in Bereichen, die eine sektorübergreifende Zusammenarbeit erfordern.

Ich erwäge ferner die Einrichtung eines hochrangigen Forums von Regierungsvertretern, um ein uneingeschränktes Engagement für die Ausarbeitung einer Reihe von Konzepten und Strategien sicherzustellen, darunter auch Gesundheit 2020, eine Studie der Europäischen Region zu den sozialen Determinanten von Gesundheit, ein erneutes Bekenntnis der Region zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention sowie eine Reihe anderer Sachfragen.

Um die Aufsichtsfunktion des Regionalkomitees zu stärken, empfehle ich, den Programmhaushalt als ein strategisches Instrument zu verwenden, das eine Rechen-schaftsablage in Bezug auf die Erreichung der gemeinsam vereinbarten Resultate und Ergebnisse ermöglicht.

Auch die Rolle des Ständigen Ausschusses des Regionalkomitees (SCRC) muss weiter-entwickelt werden, damit dieser wirksam die ihm vom Regionalkomitee übertragenen Aufgaben bewältigen, der Regionaldirektorin als beratendes Organ dienen und sie bei der effektiven Vorbereitung von Tagungen des Regionalkomitees unterstützen und außerdem seiner Aufsichtsfunktion gerecht werden kann. Gleichzeitig müssen wir die Arbeit des SCRC aber auch transparenter machen. Ich schlage weiterhin eine Erhöhung der Mitgliederzahl vor, um eine angemessene geografische Repräsentation der Mitglied-staaten in der Region zu gewährleisten.

Das Regionalbüro wird zu einem Kompetenzzentrum entwickelt, dessen inhaltliche und strategische Kernaufgaben ebenso wie der Aspekt Gesundheitsdiplomatie in
Kopenhagen konzentriert sind und in das die Fachzentren (Außenstellen) wie auch die Länderbüros vollkommen eingebunden sind. Die Kernaufgaben der Organisation – wie die konzeptionelle, strategische und inhaltliche Entwicklung der Programme, die strate-gischen Beziehungen zu Ihnen, den Mitgliedstaaten, die Partnerschaften oder die Arbeit der leitenden Organe – werden von Kopenhagen aus gesteuert.

Die Außenstellen werden weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, indem sie fachliche Erkenntnisse und Fachwissen sowie Beratung zu Konzepten und Fachprogrammen bereitstellen, den Aufbau von Kapazitäten in den Ländern vorantreiben und – nach Rück-sprache mit dem Regionalbüro – die Umsetzung unserer Arbeit in den Mitgliedstaaten unterstützen. Um die volle Einbindung solcher Aktivitäten noch zu verbessern, ist derzeit eine Bestandsaufnahme der Arbeit der Außenstellen im Gange, die auf der ausge-zeichneten Arbeit in dieser Region vor zehn Jahren aufbaut und deren Ergebnisse dem Regionalkomitee 2011 vorgelegt werden.

Das Regionalbüro wird auch seine Netzwerke erneuern und mit neuem Leben erfüllen und, wo erforderlich, neue knüpfen: die gesundheitsbezogenen Netze im Rahmen des „Umfeld-Ansatzes" gibt es zwar noch, sie sind aber schon lange nicht mehr genutzt worden. Auch der Umgang mit den Kooperationszentren erfordert eine erneute Betrachtung, und es müssen effiziente Beziehungen mit den Gesundheitsbehörden, den Hochschulen für Gesundheitswissenschaften und anderen Institutionen geschaffen bzw. wieder hergestellt werden. Hier liegt ein großes Potenzial, und wir werden einen enormen Zugewinn erzielen, wenn wir die vorhandenen Kapazitäten und den verfügbaren Sachverstand in der Region voll ausnutzen.

Der weitere Ausbau der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ist eine zentrale Aufgabe für die WHO. Die verschiedenen Teile unserer Region benötigen auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Umfang Unterstützung. Alle Länder benötigen die normative und regulative Arbeit der WHO ebenso wie ihre evidenzbasierten Konzepte, Strategien und Programme. Einige Länder sind auch auf ihre Überzeugungs-arbeit und Partnerschaft angewiesen. Allerdings ist nicht in allen Ländern eine fachliche Zusammenarbeit vor Ort erforderlich.

Die WHO wird jedes Land in der Region bei der Entwicklung seiner Gesundheitspolitik und seines Gesundheitssystems unterstützen. Die fachliche Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) und den Ländern Südosteuropas sollte im Geiste der Solidarität fortgesetzt werden. Vorgesehen sind auch Seminare für hochrangige politische Entscheidungsträger sowie Experten, die die Verpflichtungen in der internationalen Gesundheitspolitik und globale und regionale Grundsatzfragen zum Gegenstand haben, aber auch Schulungen zum Thema Gesundheitsdiplomatie.

Eine Überprüfung der Arbeit des Regionalbüros mit den wie auch für die Mitgliedstaa-ten, einschließlich der Arbeit unserer Länderbüros, hat bereits begonnen. Die Ergebnisse werden dem Regionalkomitee im Jahr 2011 in Form einer neuen Länderstrategie vorgelegt. Während dieser Überprüfung werden wir auch die Möglichkeit subregionaler Konzepte nach dem Vorbild des Südosteuropäischen Gesundheitsnetzwerks und den Erfahrungen anderer Organisationen erkunden. Deshalb habe ich beschlossen, Ihnen heute während des Mittagessens der Minister den Nutzen solcher Netzwerke zu erläutern.

Strategische Partnerschaften für mehr Politikkohärenz sind von entscheidender Be-deutung für eine gesundheitspolitische Landschaft in Europa, in der so viele Akteure tätig sind. Die WHO muss sich in diesem komplexen Umfeld richtig positionieren und schrittweise ihre Zusammenarbeit mit allen Partnern verstärken. Daher wird eine Partnerschaftsstrategie entwickelt und im nächsten Jahr dem Regionalkomitee vorgelegt. Ein erster, aber sehr wichtiger Schritt ist für dieses Jahr vorgesehen: eine gemeinsame Erklärung mit der Europäischen Kommission über eine gemeinsame Zukunftsvision für die Gesundheitspolitik. Das WHO-Regionalbüro für Europa wird weiterhin auch auf den Ausbau der Beziehungen mit anderen Institutionen der Europäischen Union hinarbeiten. Gespräche wurden auch bereits mit dem Globalen Fonds sowie mit der Organi-sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geführt, die in den kommenden Monaten fortgesetzt werden sollen.

Informations- und Kommunikationstechnologien gehören meines Erachtens zu den wichtigsten strategischen Aktivposten, die das Regionalbüro weiter ausbauen muss, um effizient arbeiten zu können und integrierte Ergebnisse zu erhalten. Wir müssen die neuen Technologien annehmen und erkunden, wie sie in den Dienst der Gesundheitspolitik in der Region gestellt werden können. Wir haben mit dieser Arbeit bereits aktiv begonnen.

Ein Kernelement unserer neuen Informations- und Kommunikationsstrategie – die dem Regionalkomitee auf einer seiner nächsten Tagungen vorgelegt werden soll – ist die Vision eines gemeinsamen Gesundheitsinformationssystems, in dem eine gemeinsame Er-hebung, Prüfung und Verbreitung von Daten durch die internationalen Partner erfolgt.

Außerdem gibt es bestimmte Schlüsseltechnologien in der Kommunikation, die unsere Arbeitsweise verändern werden, z. B.:

  • die sozialen Medien als Plattform für den Austausch von Wissen, Ideen und Meinungen;
  • eine zunehmende und interaktive Internetpräsenz des Regionalbüros, die mit starken Kommunikationsfunktionen gekoppelt werden sollte;
  • ein Angebot konsolidierter Datenbanken zur Unterstützung evidenzbasierter Entscheidungsprozesse.

Wir haben zu Beginn des Jahres einen wichtigen Schritt hin zu einer umfassenden Umgestaltung der Website des Regionalbüros getan und werden diese Arbeit intensiv fortsetzen.

Die Schaffung positiver, stützender und befähigender Arbeitsbedingungen und ei-ner nachhaltigen Finanzierung des Regionalbüros gehört ebenfalls zu unseren strategischen Prioritäten. Wir haben mehrere Arbeitsgruppen eingesetzt, um die Leistungsfähigkeit des Regionalbüros zu steigern und ihm eine wirksamere Anpassung an die neuen Prioritäten und Arbeitsverfahren zu ermöglichen. Am 1. Juli trat das neue Organi-gramm in Kraft. Darin wurde die Organisationsstruktur des Regionalbüros verflacht und eine effizientere Arbeitsteilung eingeführt.

Im Juni erfolgte eine organisationsweite Überprüfung unserer fachlichen Arbeit, in der die Führungsebene und die Leiter der Fachprogramme eine Bestandsaufnahme ihrer
bisherigen Fortschritte vornahmen und dabei Lücken und Engpässe ermittelten und anschließend Vorschläge zum weiteren Vorgehen ausarbeiteten. Die neuen Prioritäten werden nach dem Regionalkomitee in unsere Arbeitspläne integriert.

Um eine nachhaltige Finanzierung der Arbeit des Regionalbüros zu gewährleisten, hielt ich es für besonders dringend, unsere Mittelbeschaffungsverfahren zu stärken. Deshalb wurde eine neue Dienststelle geschaffen, die sich konkret mit Fragen der Haushaltsplanung und der Erschließung von Ressourcen befasst. Diese Arbeit ist im Rahmen der Initiative der Generaldirektorin zur Frage der zukünftigen Finanzierung der WHO angesiedelt.

Prioritäten

Die Prioritäten für unsere Arbeit werden im Zuge der Entwicklung des Konzeptes „Gesundheit 2020" weiter untersucht. Erlauben Sie mir dennoch, an dieser Stelle die drängendsten Aufgaben für unsere Region hervorzuheben.

Seit meinem Amtsantritt im Februar hat unsere Region eine Reihe von Krisen und gesundheitlichen Notlagen erlebt. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, und darauf muss die WHO vorbereitet sein, sowohl in ihrer Arbeit mit den Mitgliedstaaten als auch intern.

  • Während des Vulkanausbruchs auf Island haben wir die Lage genau verfolgt und Risikoabschätzungen, Empfehlungen und Hinweise zu den potenziellen Ge-sundheitsgefahren einer Belastung durch Vulkanasche veröffentlicht.
  • Nach den Unruhen in Kirgisistan und den durch ethnisch motivierte Gewalt verursachten Massenvertreibungen wurden Spendenappelle für Kirgisistan und Usbekistan veröffentlicht, und wir haben Hilfe für die Gesundheitsbehörden beider Länder mobilisiert, um ihnen die Erbringung unentbehrlicher Gesundheitsleistungen für die betroffene Bevölkerung zu ermöglichen.
  • Nach den schweren Überschwemmungen in Teilen der Republik Moldau im Juli unterstützte die WHO die Bewertung von Schäden und Handlungsbedarf und mobilisierte mit sehr großzügiger Unterstützung der italienischen Regierung die Lieferung unentbehrlicher medizinischer Hilfsgüter und Arzneimittel zur Deckung des medizinischen Bedarfs der betroffenen Bevölkerung.
  • Während der Hitzewelle und der Waldbrände in der Russischen Föderation haben wir Lageberichte erstellt und mit Hilfe der großartigen Kompetenz des russischen Ministeriums für Gesundheit und soziale Entwicklung gesundheitspolitische Ratgeber mit zentralen Empfehlungen verbreitet, die täglich auf der Website des Regionalbüros aktualisiert wurden.

Die jüngste Krise, von der wir betroffen waren, war die Überschwemmung der Büro-räume des Regionalbüros in Kopenhagen. Am Samstag, dem 14. August, wurden unsere Räumlichkeiten in Kopenhagen nach heftigen Regenfällen überschwemmt. Sämtliche Kellerräume und das Parterre wurden von Schmutzwasser mit einer solchen Wucht überflutet, dass Möbel verrückt und Teile der Gebäude zerstört wurden. Stromversorgung, Telefonleitungen, die E-Mail-Systeme und Internetverbindung wurden allesamt unterbrochen. Alle in den Kellerräumen gelagerten Gegenstände (darunter Ausrüstung und Unterlagen für das Regionalkomitee, Bücher der Bibliothek und die Druckerei) wurden zerstört. Der unverzüglich eingerichtete Krisenstab arbeitete rund um die Uhr daran, die Räumlichkeiten möglichst schnell wieder zu einem sicheren und sauberen Arbeitsplatz zu machen, an den die Bediensteten zurückkehren konnten. Von Anfang an habe ich die Weisung gegeben, dass dabei die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Bediensteten oberste Priorität haben müssten. Wir hatten unglaubliches Glück, dass die Überflutung Samstagabend erfolgte, als sich niemand in den Räumlichkeiten aufhielt, so dass niemand zu Schaden kam.

Ich bin sehr stolz auf die ausgezeichnete Arbeit, die alle Beteiligten rund um die Uhr angesichts dieser außergewöhnlichen Herausforderungen geleistet haben, und möchte den Bediensteten hierfür meinen Dank aussprechen. Danken möchte ich auch dem WHO-Hauptbüro und den anderen Organisationen der Vereinten Nationen in Kopenha-gen sowie den dänischen Behörden für ihre große Hilfe und Unterstützung.

Unsere Region ist seit 2002 frei von Poliomyelitis, und wir sind alle fest entschlossen, diesen Status energisch zu verteidigen. Als Antwort auf den Ausbruch von Poliomyelitis (Polio) in Tadschikistan, die auch präventive Maßnahmen in den Nachbarländern erforderte, hat die WHO zusammen mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und anderen Partnern die Regierung schnell und wirksam bei der Durchführung einer Kampagne zur Ergänzungsimpfung unterstützt, deren Zielgruppe 2,7 Mio. Kinder unter 15 Jahren war. Eine fünfte und sechste Impfrunde soll im Laufe der kommenden Monate stattfinden.

Seit dem 4. Juli sind keine weiteren Fälle von akuter schlaffer Lähmung mehr entdeckt worden. Ich habe das Land sofort nach der Meldung der ersten Poliofälle selbst besucht, um gemeinsam mit Gesundheitsminister Salimov eine Gegenstrategie auszuarbeiten und die erste Runde im Rahmen der Impfkampagne einzuleiten. Ich möchte dem Präsidenten und der Regierung Tadschikistans und auch Ihnen, Herr Minister, für Ihre Offenheit, Transparenz und Führungskompetenz bei der Einleitung der geeigneten Sofortmaßnahmen in enger Zusammenarbeit mit der WHO und für die aktive aufsuchende Öffentlich-keitsarbeit danken, durch die jede Familie und jedes Kind im Land erreicht werden sollte.

Ich habe zusammen mit dem stellvertretenden Regionaldirektor von UNICEF auch Usbekistan besucht, um dort mit Gesundheitsminister Dr. Ikramov die zweite Runde der Impfkampagne einzuleiten. In Usbekistan waren 2,85 Mio. Kinder im Alter von unter fünf Jahren die Zielgruppe für eine zusätzliche Impfkampagne in drei Runden. Die Kampagnen und die Öffentlichkeitsarbeit wurden äußerst professionell durchgeführt. Mein Dank gilt Herrn Dr. Ikramov für seine großartige Führungskompetenz.

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, der Regierung der Russischen Föderation dafür zu danken, dass sie uns während der gesamten Zeit des Ausbruchs so tatkräftig unterstützt hat: durch die schnelle und effiziente Arbeit des Referenzlabors der Europäischen Region für Polio, an das alle Proben zur Analyse geschickt wurden.

Doch trotz all dieser Bemühungen, aber auch dank der Leistungsfähigkeit der Surveil-lance-Systeme in allen Ländern, wurden auch außerhalb von Tadschikistan
eingeschleppte Poliofälle entdeckt, nämlich drei Fälle in Turkmenistan und einige Fälle in der Russischen Föderation, wo unverzüglich Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden.

Was den Polioausbruch und die Gegenmaßnahmen betrifft, so gilt der alte Spruch: „Es ist es erst vorbei, wenn es vorbei ist". Der Polioausbruch in Tadschikistan und die aus den Nachbarländern gemeldeten Fälle haben der Region vor Augen geführt, wie anfällig sie ist. Sie sind auch ein klares Signal an uns, dass es noch unerledigte Aufgaben gibt, die festen Willen und Entschlossenheit erfordern. Die Region braucht daher starke Gesundheitssysteme sowie eine starke epidemiologische Überwachung, eine hohe Durchimpfung und vollkommene Transparenz und Einhaltung der Internationalen Gesundheitsvorschriften, um ähnliche Ausbrüche künftig zu verhindern. Um den seit 2002 bestehenden Status der Europäischen Region als poliofrei zu erhalten, sind der vorbehaltlose politische Wille der Länder und deren aktive Führungsrolle von größter Bedeutung. Deshalb freue ich mich auf eine eingehende Diskussion über dieses Thema mit Ihnen und mit Prof. Salisbury, dem Vorsitzenden der Polio-Zertifizierungs-kommission der Europäischen Region, im weiteren Verlauf unserer Tagung.

Auch bei den anderen übertragbaren Krankheiten haben wir noch einige unerledigte Aufgaben vor uns. Die Zielvorgabe für die Eliminierung der Masern in der Europäischen Region war 2010; leider haben wir sie verfehlt. Einige große Herausforderungen bestehen noch: Ungleichheiten hinsichtlich der Durchimpfung in den Ländern führen zu Ausbrüchen; einige anfällige Bevölkerungsgruppen werden von den Impfpro-grammen nicht erreicht; und Gruppen von Impfgegnern sind in vielen Ländern aktiv. Heute sind beinahe eine Million Kinder in der Region nicht vollständig geimpft. Das erneuerte Bekenntnis zur Eliminierung von Masern und Röteln steht am Donnerstag auf dem Programm: Ich möchte, dass wir als neues Zieldatum für die Eliminierung der Krankheit das Jahr 2015 anpeilen und dieses Ziel mit aller Kraft verfolgen. Es ist zu schaffen!

In diesem Zusammenhang muss ich auch die sehr erfolgreiche Europäische Impfwoche erwähnen, an der sich in diesem Jahr 47 Länder mit einem breiten Spektrum an Aktivitäten beteiligten. Dabei traten viele Partner dem sozialen Online-Netzwerk der Impfwoche bei, das einen interaktiven Dialog in der gesamten Region fördert.

Auf Bitten des WHO-Regionalbüros für Afrika wird sich das Regionalbüro für Europa aktiv an der Planung für die erste Afrikanische Impfwoche beteiligen. Wir beraten auch das WHO-Regionalbüro für den westlichen Pazifikraum im Hinblick auf die Initiierung einer Impfwoche in seiner Region im kommenden Jahr.

Es gibt auch gute Nachrichten: Auf dem Weg zur Eliminierung der Malaria bis zum Jahr 2015 haben wir große Fortschritte erzielt.

Seit 1995 ist die Zahl der gemeldeten Malariafälle erheblich zurückgegangen: von fast 91 000 Fällen (1995) auf nur noch 285 Fälle im Jahr 1999. 2005 waren in unserer Region noch neun Länder betroffen, 2009 sind es nur noch fünf. In Armenien, der Russischen Föderation und Turkmenistan konnte die Übertragung von Malaria unterbro-chen werden. In Kasachstan wurden die letzten lokal erworbenen Malariaerkrankungen 2001 gemeldet.

Es ist wahrscheinlich, dass Turkmenistan Ende 2010 und Armenien Ende 2011 als malariafrei zertifiziert werden.

Hier hat sich unsere Zusammenarbeit mit dem Globalen Fonds bewährt, der die Erklärung von Taschkent und die Bemühungen der WHO zur Eliminierung von Malaria in vollem Umfang unterstützt. Diese Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Malariabekämpfung eignet sich auch bestens als Vorbild für andere Bereiche.

Während der Influenzapandemie, die 2009 einsetzte, haben unsere gemeinsamen An-strengungen Früchte getragen. Alle Länder in der Region haben wirksame Vorsorgemaßnahmen ergriffen, und wir waren aufgrund der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) auch insgesamt besser vorbereitet. Deshalb müssen wir den Aufbau der in den IGV geforderten Kernkapazitäten energisch vorantreiben. Die WHO ist fest entschlossen, Sie dabei tatkräftig zu unterstützen.

Die WHO führt zurzeit durch den IGV-Prüfungsausschuss eine offizielle Bestandsauf-nahme durch, in der die weltweiten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowie das Funktionieren der Gesundheitsvorschriften geprüft werden. Innerhalb der Europäischen Region hat das Regionalbüro in Partnerschaft mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) konkret sieben Länder überprüft: Armenien, Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Deutschland, Portugal, die Schweiz und Usbekistan.

Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Handlungsfähigkeit eines Landes in wesentlichem Maße von der Verfügbarkeit gut geschulter Gesundheitsfachkräfte in der primären und sekundären Gesundheitsversorgung, von engen Kontakten zwischen Gesundheitswissenschaftlern und den Fachkräften in den Gesundheitssystemen und von der Abstimmung auf lokaler Ebene abhängig ist.

Eine andere Erkenntnis lautet, dass es wichtig ist, auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein und einerseits den schlimmsten Fall in Betracht zu ziehen, andererseits aber auch in der Lage zu sein, sich schnell auf eine deutlich günstigere Situation einzustellen. Unsere Bereitschaftspläne müssen sich durch Flexibilität auszeichnen.

Die Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig und gleichzeitig schwierig Krisenkommunikation sein kann. Aufgabe der Kommunikation, zu der heute auch die sozialen Medien gehören, ist es, die Öffentlichkeit über mögliche bevorstehende Schwierigkeiten zu informieren, sie aber auch auf Veränderungen in Bezug auf die Risikobewertung hinzuweisen und Akzeptanz insbesondere für Impfmaßnahmen zu schaffen.

Nach langen Verhandlungen zwischen dem Regionalbüro und dem EDC im September 2009 haben sich die beiden Organisationen auf eine Lösung geeinigt, durch die die doppelte Meldung von Surveillance-Daten für Influenza vermieden wird. Ich bin sicher, dies ist eine gute Nachricht für Sie.

Multiresistente und extensiv resistente Tuberkulose (MDR- bzw. XDR-Tb) stellen eine umfassende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in der Europäischen Region dar; deshalb habe ich das Thema zu einer regionalen Priorität erklärt. Von den 27 Hochprävalenzländern, auf die weltweit insgesamt 85% der Fälle von MDR-Tb entfallen, gehören die ersten 15 zur Europäischen Region. Wir sind gegenwärtig dabei, einen umfassenden Aktionsplan zur Bekämpfung der MDR- und XDR-Tb in der Euro-päischen Region der WHO für den Zeitraum 2010–2015 auszuarbeiten.

Eine anhaltende Unterstützung durch den Globalen Fonds für alle Länder weltweit, die von MDR- und XDR-Tb betroffen sind, ist dringend notwendig, um dieser globalen Bedrohung entgegenzuwirken.

Eine andere weltweite Bedrohung stellen antimikrobielle Resistenzen (AMR) dar. Deshalb freuen wir uns, hier gemeinsam mit der Generaldirektorin ankündigen zu können, dass antimikrobielle Resistenzen das Thema des nächsten Weltgesundheitstages im Jahr 2011 sein werden. In der Europäischen Region haben wir die Vorbereitungen damit begonnen, dass wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern eine Strategie zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen in der Europäischen Region ausgearbeitet haben. Hierbei möchte ich insbesondere der EU und dem ECDC dafür danken, dass sie auf diesem Gebiet so viel bewegt haben. Die Schwerpunktlegung auf AMR kommt gerade zur rechten Zeit angesichts des Auftretens und der Ausbreitung von Resistenzgenen wie NDM-1 (New Delhi metallo-ß-lactamase-1) in jüngster Zeit – einer ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Gesundheit. Über dieses besonders hartnäckige Gen wurde in der Presse viel berichtet. Daraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit einer international abgestimmten Antwort in Form von Surveillance-Maßnahmen und For-schungsanstrengungen. Sie muss auf starken nationalen Initiativen zur AMR-Surveillance aufbauen, einen vorsichtigen Umgang mit Antibiotika zum Ziel haben und effektive Programme zur Bekämpfung nokosomialer Infektionen vorsehen.

Eine weitere schwerwiegende gesundheitspolitische Herausforderung für unsere Region ist nach wie vor HIV/Aids, dessen Übertragung in vielen Ländern der Region rapide voranschreitet. Osteuropa leidet mittlerweile unter der weltweit am schnellsten zunehmenden HIV-Epidemie und ist die einzige Region, in der die Zahl der jährlich gemeldeten Fälle immer noch steigt. Es gilt nun, die Epidemie im Osten einzudämmen und zurückzudrängen und gleichzeitig ein Wiedererstarken im Westen zu verhindern.

Voraussetzung für die Verwirklichung eines allgemeinen Zugangs zu Prävention bzw. Behandlung und Pflege sind Konzepte, die manchmal im Widerspruch zu bewährten Konzepten und Maßnahmen in den Mitgliedstaaten stehen. Dies ist eine Herausforderung, die zusätzliche Anstrengungen erforderlich macht, um die Politik für evidenzbasierte und menschenrechtskonforme Präventionsmaßnahmen sowie für Schadensbe-grenzungsmaßnahmen wie Opioidsubstitutionstherapie für intravenöse Drogenkonsu-menten zu gewinnen.

Unter diesen Umständen bedeutet das Aufhalten der Ausbreitung von HIV bis zum Jahr 2015, wie in Millenniums-Entwicklungsziel 6 gefordert, eine erhebliche Herausforde-rung. Es liegen genügend wissenschaftliche Erkenntnisse vor: jetzt kommt es auf den politischen Willen an! Deshalb wird nun eine regionale Strategie für HIV/Aids ausgear-beitet, die mit der geplanten Globalen Strategie für den Gesundheitssektor 2011–2015 abgestimmt ist.

Die Europäische Region hat ein bedeutendes Ziel erreicht: 2008 erhielten 90% der HIV-positiven Schwangeren in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen eine antiretrovirale Therapie zwecks Prävention der Mutter-Kind-Übertragung. Dies wurde möglich, weil der Aspekt der HIV-Prävention konsequent in die Versorgung von Müttern und Kindern einbezogen wurde.

Ich komme nun zu einem anderen Thema: Der Bereich Umwelt und Gesundheit war stets ein wesentlicher und sehr deutlich sichtbarer Teil unserer Arbeit.

Die Fünfte Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit, die im März in Parma stattfand, war einer der Höhepunkte im diesjährigen Kalender unserer Region – und ein Meilen-stein im Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa.

Erstens wurden zum ersten Mal messbare und zeitlich eindeutige Zielvorgaben festgelegt, die angestrebt und einer Erfolgskontrolle unterzogen werden können. Zweitens wurde eine neue Führungsstruktur vorgeschlagen, die der Stärkung der Politikumsetzung auf nationaler wie europäischer Ebene dienen. So wird ein Ministerausschuss das politische Gesicht und die treibende Kraft der internationalen Politik in diesem Bereich sein.

Der Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa ist seit nunmehr 20 Jahren im Gange. Er ist ein besonders anschauliches Beispiel für eine sektorübergreifende Partnerschaft, und ich bin fest entschlossen, diesen Prozess weiter erfolgreich voranzutreiben und ihn als Modell für andere Politik- und Arbeitsbereiche hochzuhalten.

Drittens möchte ich noch den Klimawandel erwähnen, der ein echtes und besorgniserre-gendes Phänomen ist, das sich auch in unserem Teil der Welt durch schwere Wetterer-eignisse eindrucksvoll äußert. Der in Parma angenommene Handlungsrahmen für den Klimaschutz wird unserer kontinuierlichen Arbeit auf diesem Gebiet und unseren Be-mühungen um eine umweltverträglichere Gesundheitsversorgung wertvolle Impulse ge-ben und unseren Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen maximieren.

Ein Großteil der Krankheitslast in der Region entfällt auf die nichtübertragbaren Krankheiten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, chronische Atem-wegserkrankungen und Diabetes mellitus sind für die Mehrzahl der Todesfälle in unse-rer Region verantwortlich. So entfallen mindestens 86% der Todesfälle und 77% der Krankheitslast in der Europäischen Region der WHO auf diese Gruppe von Erkrankun-gen, die gemeinsame Risikofaktoren, Determinanten und Interventionsmöglichkeiten aufweisen.

Auch wenn die westlichen Länder beträchtliche Fortschritte bei der Senkung der Sterb-lichkeitsraten infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzielt haben, so sind diese doch in anderen Teilen der Region, etwa in Zentralasien, rapide auf dem Vormarsch. Zusammen mit Folgeerkrankungen wie Diabetes gefährden sie die Gesundheit und Entwicklung der Bevölkerung; dies gilt vor allem für die einkommensschwachen Schichten, in denen die arbeitende Bevölkerung am stärksten betroffen ist.

Im westlichen Teil der Region stellt Krebs eine der größten Bedrohungen für Gesund-heit und Gesundheitssysteme dar. So hat Krebs in mindestens 28 der 53 Länder der Region Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufigste Todesursache abgelöst, was drasti-sche Anpassungsmaßnahmen in den Gesundheitssystemen zur Bewältigung der komplexen Bedürfnisse von Krebspatienten erforderlich macht. Im Zeitraum 2008–2009 hat das WHO-Regionalbüro für Europa mit insgesamt acht Ländern beim Aufbau ihrer na-tionalen Krebsprogramme zusammenarbeitet und dabei die Elemente Primär- und Se-kundärprävention, Palliativversorgung und Forschung einbezogen.

Psychische Gesundheitsprobleme werden manchmal als eine „schleichende Epidemie" bezeichnet, da Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzustände häufig unbemerkt und unbehandelt bleiben, auch wenn Depressionen weltweit zur häufigsten Ursache für Behinderung geworden sind; dagegen entfallen 86% aller Suizide auf die Länder mit niedrigem Einkommen. Der Vormarsch anderer psychischer Störungen wie der Alzheimer-Krankheit ist das Ergebnis der rapiden Bevölkerungsalterung in der gesamten Region. Auch diese Erkrankungen müssen in angemessener Weise bekämpft werden. Das WHO-Regionalbüro für Europa ist entschlossen, den Mitgliedstaaten dabei behilflich zu sein, geistige Behinderungen auf die gesundheitspolitische Tagesordnung zu setzen und ihre Behandlung in die primäre Gesundheitsversorgung zu integrieren, ihre gesellschaftliche Stigmatisierung zu bekämpfen und die Rechte von Menschen mit geistigen Behin-derungen zu verteidigen.

Diesen todbringenden Krankheiten liegen eine Reihe gemeinsamer Risikofaktoren zugrunde. Zur Beseitigung dieser Risiken sind Prävention, Gesundheitsförderung und starke Gesundheitssysteme gleichermaßen wichtig. Entschlossene Maßnahmen zur Bekämpfung von nur sieben dieser Risikofaktoren – Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, hoher Blutzuckerspiegel, Übergewicht, Bewegungsmangel, Tabakkonsum und Alko-holmissbrauch – würden die Zahl der um Behinderungen bereinigten Lebensjahre (den sog. DALY-Verlust) in der Europäischen Region insgesamt um fast 60% und in den Ländern mit hohem Einkommen um 45% verringern. Die Determinanten von Gesundheit, und insbesondere Fragen des Lebensstils, werden bereits untersucht, doch in einigen Bereichen sind neuerliche politische Anstrengungen erforderlich.

2006 nahm das Regionalkomitee die Europäische Strategie zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten an. Inzwischen haben wir beim Regionalbüro mit der Ausarbeitung eines Aktionsplans zu ihrer Umsetzung begonnen, der dem Regionalkomitee im Jahr 2011 vorgelegt wird. Wir wollen unsere Arbeit auf diesem so wichtigen Gebiet intensivieren.

Angesichts der beträchtlichen Krankheitslast infolge von Alkoholmissbrauch ist eine Alkoholpolitik für die Region dringend erforderlich. Ich bin nicht stolz darauf, dass unsere Region weltweit den höchsten Alkoholkonsum aufweist.

Alkohol ist der zweitwichtigste Risikofaktor in Bezug auf DALY-Verluste in der Euro-päischen Region insgesamt, in den Ländern mit niedrigem Einkommen sogar der wich-tigste. Deshalb beabsichtige ich, einen Umsetzungsplan für die Region ausarbeiten zu lassen, der auf der vor kurzem angenommenen Globalen Strategie zur Reduzierung des Alkoholmissbrauchs und auf dem Handlungsrahmen für eine Alkoholpolitik in der Europäischen Region aufbaut. Im Juni haben wir auf Einladung der spanischen Regierung eine Tagung der nationalen Ansprechpersonen organisiert, auf der alle Länder einem solchen Plan zustimmten.

Auf dem Gebiet der Bekämpfung des Tabakkonsums sind in der gesamten Region erhebliche Fortschritte erzielt worden. Einige Länder haben neue Rechtsvorschriften zur Regelung des Tabakkonsums eingeführt oder bestehende Regelungen erweitert und ihre Durchsetzung verbessert. Durch das Inkrafttreten des Rahmenübereinkom-mens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) entstand eine Dyna-mik, die durch konkrete Maßnahmen in den Ländern noch verstärkt wurde. In diesem Jahr begehen wir den fünften Jahrestag der Existenz des Übereinkommens; dazu wer-den wir am Dienstag während der Mittagspause eine Bestandsausnahme seiner wichtig-sten Erfolge vornehmen.

Einer der Höhepunkte der Kampagne zur Bekämpfung des Tabakgebrauchs in diesem Jahr war die Verleihung des Sonderpreises der Generaldirektorin zum Weltnichtrau-chertag an den türkischen Ministerpräsidenten, der für sein herausragendes Engagement und seine anhaltende Vorreiterrolle auf nationaler und internationaler Ebene gewürdigt wurde. Ich betrachte es als eine Ehre und ein Privileg, dass ich ihm am 19. Juli in Anka-ra diesen Preis überreichen durfte.

Übergewicht ist eine der größten Herausforderungen für die Gesundheitspolitik im 21. Jahrhundert, von der alle Länder – wenn auch in unterschiedlichem Maße – betroffen sind. Von den schwerwiegenden Folgen sind insbesondere die niedrigeren sozio-ökonomischen Schichten betroffen. Im Europäischen Aktionsplan Nahrung und Ernährung 2007–2012 der WHO werden Ziele und Vorgaben für die Europäische Region in Bezug auf Lebensmittelsicherheit und Ernährung aufgestellt. Mehr als 90% der Mit-gliedstaaten der Region verfügen inzwischen über eine nationale Politik auf diesem Gebiet. Das Regionalbüro arbeitet zusammen mit den Mitgliedstaaten darauf hin, die Salzzufuhr zu reduzieren und die Verbraucher aufzuklären, und hat dazu sechs Aktions-netzwerke ins Leben gerufen. In den vergangenen Wochen haben wir auch Gespräche mit der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie geführt, um uns auf abgestimmte Maßnahmen zur Umsetzung von Konzepten, Leitlinien und Normen der WHO bei der Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken zu einigen. In dieser Zusammenarbeit liegt ein enormes Potenzial, das wir weiter erforschen wollen.

Schließlich, meine Damen und Herren, möchte ich noch auf die Stärkung der Gesundheitssysteme und des Gesundheitswesens zu sprechen kommen, wo das Regionalbüro, wie bereits erwähnt, sein Engagement für die öffentliche Gesundheit erneuern und seine Arbeit auf diesem wichtigen Gebiet wirksamer gestalten wird. Ohne dieses Engagement kann die Region die doppelte Krankheitslast nicht bewältigen, sondern wird einerseits für Infektionskrankheiten verstärkt anfällig und andererseits der Epidemie der nichtübertragbaren Krankheiten machtlos gegenüberstehen. Deshalb werden in Konzepten zur Stärkung der Gesundheitssysteme Verbesserungen im Bereich öffentliche Gesundheit einen hohen Stellenwert erhalten. Auch zur primären Gesundheitsversorgung sowie zu anderen Teilen des Gesundheitssystems werden Verknüpfungen geschaffen.

Das Regionalbüro wird die auf der Konferenz von Tallinn im Jahr 2008 eingegangenen Verpflichtungen auch weiterhin einhalten und die damit verbundenen Resolutionen konsequent umsetzen. Es wird ein besonderes Augenmerk auf die Nutzung von Leistungsmessung zwecks Rechenschaftsablage gegenüber der Öffentlichkeit sowie auf die Anpassung von Konzepten anhand länderspezifischer Erkenntnisse richten. Darüber hinaus hat das Regionalbüro auf die Ersuchen mehrerer Länder um Unterstützung bei ihren Maßnahmenpaketen zur Bewältigung der Finanzkrise (z. B. Armenien, Estland, Lettland) sowie auf neue Anfragen in Bezug auf generelle Unterstützung bei Gesundheitsreformen (Bulgarien, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Republik Moldau) reagiert.

Auch in der Länderarbeit nach Maßgabe der Charta von Tallinn sind im Hinblick auf die vollständige Umsetzung einiger Bestimmungen der Charta schon erhebliche Fortschritte erzielt worden. Zu den jüngsten Erfolgen gehören die Gewinnung und Zusammenfassung von Evidenz aus einer sehr heterogenen Region in zentralen Arbeitsbereichen wie der Reformierung der Finanzierung von Gesundheitssystemen, dem Kran-kenversicherungswesen und der finanziellen Nachhaltigkeit.

Bei der Entwicklung nationaler Konzepte in der Gesundheitspolitik wurden ferner folgende Länder unterstützt: Bosnien und Herzegowina, Finnland, Kirgisistan, Portugal, die Republik Moldau und Tadschikistan.

In Tadschikistan war das WHO-Regionalbüro für Europa bei der Entwicklung und Steuerung eines Prozesses zur Schaffung einer nationalen Gesundheitsstrategie mit einer Vielzahl von Akteuren behilflich; in Kirgisistan konnten bei der Umsetzung der nationalen Gesundheitsstrategie dank der langfristig angelegten fachlichen Hilfe der WHO die vorliegenden Erkenntnisse konsequent zur Politikgestaltung herangezogen werden. In Portugal wurde vor kurzem eine Bewertung des nationalen Gesundheits-plans vorgenommen, die auf jüngsten Anstrengungen bei der Entwicklung der nationalen Gesundheitsstrategie aufbaut. In Litauen und Turkmenistan wurde mit der Arbeit an neuen nationalen Gesundheitsplänen und -strategien begonnen.

Unter dem Dach der GPG, die unter dem Vorsitz der Generaldirektorin steht, und in Übereinstimmung mit den festgelegten Kriterien wurden die folgenden Mitgliedstaaten im Hinblick auf die erste Runde im Kapazitätsaufbau sowie eine intensivere fachliche Betreuung bei der Ausarbeitung nationaler Gesundheitskonzepte, -strategien und Aktionspläne für vorrangig erklärt: Armenien, die Republik Moldau, Tadschikistan, Turkmenistan, die Ukraine und Usbekistan.

Im Bereich Gesundheitsfinanzierung sind spürbare Fortschritte zu verzeichnen. Das Buch über die Umsetzung von Reformen in der Gesundheitsfinanzierung (Lessons from countries in transition, dt.: Lehren aus den Ländern im wirtschaftlichen Umbruch) wurde fertig gestellt und wird während dieses Regionalkomitees vorgestellt. Das Regionalbüro war auch an der Erstellung des diesjährigen Weltgesundheitsberichts über die Fi-nanzierung der allgemeinen Gesundheitsversorgung beteiligt, der im November in Berlin vorgestellt wird.

Das Regionalbüro hat sich auch innerhalb der Länder sehr aktiv um Unterstützung der Reformen in der Gesundheitsfinanzierung bemüht, u. a. in Bulgarien und der Republik Moldau sowie in den Ländern Zentralasiens.

Im Bereich Gesundheitspersonal stellt der in diesem Jahr von der Weltgesundheitsver-sammlung einstimmig angenommene Verhaltenskodex der WHO für die grenzüber-schreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften einen historischen Schritt nach vorne dar, der sowohl dem Schutz von Wanderarbeitnehmern als auch der Bekämpfung der katastrophalen Personalengpässe im Gesundheitswesen der Entwicklungsländer dient. Der Verhaltenskodex zeugt vom ausgeprägten politischen Willen der Mitglied-staaten, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Die Europäische Region hat einen wesentlichen Beitrag zur Ausarbeitung des Verhaltenskodexes geleistet. Wir entwickeln derzeit eine regionale Strategie für die Umsetzung des Kodexes und seiner Grundsätze und werden die Mitgliedstaaten bei seiner Umsetzung fachlich unterstützen.

In den Bereichen Gesundheitstechnologien und Arzneimittel sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden: So wurde in der GUS die Qualität von Tuberkulo-semedikamenten kontrolliert, in Litauen der Zugang zu Behandlung und Pflege für HIV/Aids-Patienten untersucht und in Deutschland das Institut für Qualität und Wirt-schaftlichkeit im Gesundheitswesen unterstützt, um seine Arbeit als führende Einrich-tung für patientenzentrierte und evidenzbasierte Konzepte für die Befähigung von Pati-enten wie auch der Allgemeinheit insgesamt zu stärken. Das Regionalbüro hat auch die Länder Südosteuropas bei ihrer Beteiligung am Europäischen Antibiotikatag unterstützt.

Sehr geehrte Damen und Herren Minister, Exzellenzen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren!

Mit ihrer Unterstützung haben wir uns in den vergangenen zwölf Monaten intensiv darum bemüht, Themen aufzugreifen und Chancen für den Schutz der Gesundheit aufzuzeigen, aber es bleibt noch viel zu tun. Alle Beteiligten streben als Ziel mehr Gesundheit für die Europäische Region an. Das WHO-Regionalbüro für Europa wird auch in Zukunft mit seinen Partnern abgestimmte, evidenzbasierte Maßnahmen durchführen, um die Verwirklichung eines Höchstmaßes an Gesundheit für alle Völker in unserer Region zu gewährleisten.

Abschließend möchte ich nochmals bekräftigen, dass wir uns darüber im Klaren sind, wie wichtig es ist, in dieser vielfältigen und heterogenen Region für jeden einzelnen Mitgliedstaat da zu sein. Ich bin zuversichtlich, dass die in hohem Maße kompetenten und motivierten Mitarbeiter des Regionalbüros mit vollem Einsatz darauf hinarbeiten werden, in der Gesundheitspolitik in Ihrem Land etwas zu bewegen.

Und ich bin sicher, dass wir uns auch in den kommenden Jahren Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung verdienen werden, indem wir unsere einzigartige Rolle innerhalb der Region wahrnehmen und unseren Grundsätzen treu bleiben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.