Grußbotschaft von Zsuzsanna Jakab an das Europäische Parlament zum Welttuberkulosetag 2010

24. März 2010

Symposium: Innovation zur Eliminierung der Tuberkulose
Europäisches Parlament

Verlesen von Dr. Risards Zaleskis, Medizinischer Referent, Übertragbare Krankheiten

Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
Meine Damen und Herren!

Anlässlich des Welttuberkulosetages möchte ich mich bei den Veranstaltern dieses Symposiums bedanken, die unter der Schirmherrschaft von Françoise Grossetête, Mitglied des Europäischen Parlaments, und zusammen mit der Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments für Innovation, Zugang zu Arzneimitteln und armutsbedingte Krankheiten mich eingeladen haben, auf dieser wichtigen Tagung zu sprechen. Das anhaltende Interesse des Europäischen Parlaments ist für die Bewältigung tuberkulosebedingter Probleme von großer Wichtigkeit, und ich bedauere es sehr, nicht wie in den vergangenen Jahren an dieser Veranstaltung teilnehmen zu können, obwohl ich das so gern getan hätte. Gestatten Sie mir dennoch einige Anmerkungen zu diesem so wichtigen Anlass.

Der Welttuberkulosetag findet jedes Jahr am 24. März statt und dient zum Gedenken an die Entdeckung des Tuberkulosebazillus durch Robert Koch und zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese Krankheit. Auch heute, 128 Jahre später, stellt die Tuberkulose in der Europäischen Region der WHO wie auch weltweit immer noch eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung dar. So ist die Situation in 18 Ländern der Europäischen Region, nämlich den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie Bulgarien, Rumänien und der Türkei, besorgniserregend, und auf diese Länder entfallen trotz einiger Fortschritte in jüngster Zeit noch 88% der tuberkulosebedingten Krankheitslast in der gesamten Region.

Aus dem neuesten Jahresbericht Tuberkulose-Überwachung in Europa, der vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und dem WHO-Regionalbüro für Europa gemeinsam veröffentlicht wurde, geht hervor, dass in der Europäischen Region der WHO insgesamt nach einem Anstieg der Melderaten für Tuberkulose zwischen 2004 und 2007 nun ein Rückgang um 2,6% zu verzeichnen ist. Unglücklicherweise hat unsere Region aber von allen WHO-Regionen die niedrigste Therapieerfolgsrate; nur gut 70% der Neuinfektionen mit Tuberkulose werden erfolgreich behandelt. Darüber hinaus fiel – trotz der weiterhin rückläufigen Inzidenz der Tuberkulose – der Rückgang zwischen 2007 und 2008 sogar in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) mit nur 1,2% geringer aus als in den vorausgegangenen vier Jahren.

Wir wissen auch, dass eine unzureichende Einhaltung der Methoden zur Tuberkulosebekämpfung zu hohen Raten multiresistenter (MDR-Tb) bzw. extensiv resistenter Tuberkulose (XDR-Tb) führt, was zu einer beträchtlichen Zusatzbelastung für die Gesundheitssysteme führt. Von den 27 Hochprävalenzländern, auf die nach Schätzungen weltweit insgesamt 85% der Fälle von MDR-Tb entfallen, gehören leider 15 zu unserer Region. Überdies haben wir eine der höchsten Raten von XDR-Tb in der Welt. Auf diese ernste Situation wurde auch auf der Ministertagung über medikamentenresistente Tuberkulose im April 2009 in Peking, an der ich teilnahm, nachdrücklich hingewiesen.

Nun zu der Frage: Warum lautet das Motto des diesjährigen Welttuberkulosetages „Neue Ideen für schnelleres Handeln“? Die Antwort ist, dass wir es mit einer Krankheit des 21. Jahrhunderts zu tun haben, für die uns leider nur extrem veraltete Instrumente für Diagnose, Prävention und Behandlung zur Verfügung stehen, von denen einige mindestens hundert Jahre alt sind.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir neue und bessere Wege zur Bekämpfung der Tuberkulose brauchen, die es uns ermöglichen, die Krankheit schnell und wirksam unter Kontrolle zu bringen. Um wissenschaftliche Erkenntnisse für die Entwicklung neuer, verbesserter Arzneimittel, Diagnosemethoden und Impfstoffe zu nutzen, werden mehr Mittel benötigt. Außerdem müssen wir Zugänglichkeit und Effizienz der Versorgung von Tuberkulosepatienten verbessern. In der Europäischen Region der WHO wollen wir als Schwerpunkte in der Tuberkuloseforschung eine Verbesserung der Handlungskonzepte und Leistungen sowie die Entwicklung neuer Instrumente zur Tuberkulosebekämpfung anstreben.

Doch bis dahin müssen wir die Menschen, die an Tuberkulose erkrankt sind, unterstützen und für jeden Erwachsenen und jedes Kind die erforderliche Versorgung gewährleisten – unabhängig davon, wo sie leben und über welche finanziellen Mittel sie verfügen. Ein besonderes Augenmerk müssen wir dabei auf stark gefährdete und einkommensschwache Bevölkerungsschichten richten. Um den Zugang zur Diagnose und Behandlung von Tuberkulose zu verbessern, sollten wir uns darauf konzentrieren, die sektorübergreifende Zusammenarbeit weiterzuentwickeln, die Gesundheitssysteme zu stärken und vor allem die Integration der Tuberkulosebekämpfung in die primäre Gesundheitsversorgung voranzutreiben. Ich bekenne mich ausdrücklich zu diesen Prioritäten, wie ich das auch während meiner Zeit als Direktorin des ECDC getan habe, als auf Initiative der EU-Kommissarin für Gesundheit der Aktionsplan zur Bekämpfung der Tuberkulose für die EU-Staaten entwickelt wurde.

Ich bin der Überzeugung, wir sollten mit neuen, starken Partnerschaften entschlossen eine Verwirklichung der Ziele des Globalen Plans „Stopp der Tb“ anstreben.

Das WHO-Regionalbüro für Europa bemüht sich in enger Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedstaaten und in Partnerschaft mit dem Globalen Fonds, der Europäischen Kommission, anderen Institutionen der EU, Organisationen der Vereinten Nationen, nichtstaatlichen Organisationen und anderen Akteuren darum, die für die Tuberkulosebekämpfung notwendige fachliche Unterstützung bereitzustellen und die Ergebnisse der von dem Europäischen Ministerforum 2007 angenommenen Erklärung von Berlin weiterzuverfolgen.

Als Regionaldirektorin für Europa werde ich dafür Sorge tragen, dass die Bekämpfung der Tuberkulose für die WHO in Europa und anderswo auch weiterhin ein Schwerpunkt ihrer Arbeit bleibt. Dies ist nicht nur eine Frage der Solidarität, sondern liegt in unserer heutigen globalisierten Welt ganz in unserem eigenen Interesse. Ich habe darum gebeten, den in Peking ausgearbeiteten umfassenden Aktionsplan zur Bekämpfung der MDR-Tb mit großer Dringlichkeit an die Bedürfnisse der Europäischen Region anzupassen. Ich habe die Hoffnung, dass wir mit dieser und anderen Maßnahmen menschliches Leiden lindern und die durch MDR-Tb bedingte Krankheitslast in unserer Region verringern können. Wir müssen die besorgniserregende derzeitige Situation beenden, bei der mehr als 60% der Länder mit der höchsten Belastung durch MDR-Tb in unserer Region liegen.

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Hilfe all unserer Partner, einschließlich der Veranstalter dieses Symposiums, die konkret neue Forschungsergebnisse, Technologien und Ideen beitragen können, imstande sein werden, sämtliche Ziele und Vorgaben auf dem Gebiet der Bekämpfung bzw. Eliminierung der Tuberkulose zu erreichen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.