Konferenz „Impfung im Kindesalter – Eine gesunde Zukunft für unsere Kinder“ Eröffnungsansprache der WHO-Regionaldirektorin für Europa

Budapest, 3. März 2011

Es ist mir eine besondere Freude, heute hier unter alten Freunden, Kollegen und Partnern sein zu können – und dazu noch in meinem Land. Als WHO-Regionaldirektorin für Europa – und als Ungarin – unterstütze ich voll und ganz die gesundheitspolitischen Prioritäten, die sich Ungarn für seine Präsidentschaft in der Europäischen Union vorgenommen hat. Durch das Bekenntnis zur vorrangigen Bedeutung von Impfwesen und Kindergesundheit sowie zur Förderung der Integration von Roma erhalten die Mitgliedstaaten ein starkes Fundament, auf dem sie stärkere Beziehungen aufbauen und sich aktiv für die Ziele der Eliminierung von Masern und Röteln, der weltweiten Eradikation der Poliomyelitis, der Verbesserung der Leistungserbringung und des gleichberechtigten Zugangs zu Impfstoffen einsetzen können. Den Grundpfeiler für diese Prioritäten bildet die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten.

Impfstoffe und Impfwesen waren maßgebliche Faktoren für die Erzielung gesundheitlicher Zugewinne in den letzten 100 Jahren. Im vergangenen Jahr haben wir den 30. Jahrestag der Eradikation der Pocken begangen, der ersten Krankheit in der Geschichte der Menschheit, die durch Impfung eradiziert wurde. Ferner ist weltweit zwischen 2000 und 2008 die Zahl der Poliofälle um 99% und die Mortalität infolge von Masern um 78% zurückgegangen.

Um es auf eine einfache Formel zu bringen: Impfstoffe retten Menschenleben. Laut Schätzungen werden jährlich durch Impfungen weltweit mehr als 3 Mio. Menschenleben gerettet; weitere Millionen werden durch Impfstoffe vor Krankheit und lebenslanger Behinderung bewahrt. Es ist in hohem Maße erfreulich, dass zu Beginn des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts mehr Kinder denn je von Impfmaßnahmen profitieren können. Der Nutzen von Impfmaßnahmen wird auch zunehmend auf Jugendliche und Erwachsene ausgedehnt, die dadurch Schutz gegen lebensbedrohliche Krankheiten wie Influenza, Meningitis und Krebs erhalten. Impfmaßnahmen während der gesamten Lebensdauer sind eine kostenwirksame Investition und ein wesentlicher Bestandteil des Rechts unserer Gesellschaft auf Gesundheit und Wohlbefinden.

Doch trotz aller positiven Zusammenarbeit und Innovation stehen wir heute in Europa an einem Scheideweg, an dem uns der Verlust zahlreicher Errungenschaften unserer Vorgänger in der Gesundheitspolitik und ein Abrücken von bereits vereinbarten und erreichbaren Zielen droht. Denn 2010 haben wir größere Ausbrüche von Masern und Röteln erlebt, die sich auf eine Reihe von Ländern ausgebreitet haben. Wir haben auch das Wiederauftreten von Polio in der Europäischen Region der WHO erlebt, die zuvor mehr als zehn Jahre lang poliofrei gewesen war; und wir verzeichnen einen anhaltenden Rückgang der Akzeptanz von Impfstoffen in der Bevölkerung, und dies aus verschiedenen Gründen. Positiv zu vermelden ist dagegen die Zusammenarbeit zwischen den Ländern bei der Reaktion auf diese Ausbrüche. Krankheiten machen nicht vor Grenzen Halt, und in unserer heutigen Zeit haben wir alle gemeinsame Grenzen – räumliche oder virtuelle –, und die Mobilität der Bevölkerung ist sehr hoch. Die Länder der Europäischen Union sind gemeinsamen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Daher sind starke Partnerschaften erforderlich, um die Prävention und Bekämpfung impfpräventabler Krankheiten zu gewährleisten, die Europäische Region poliofrei zu halten und bis 2015 auch Masern und Röteln zu eliminieren. Entscheidungsträger, Gesundheitsfachkräfte und die Bevölkerung insgesamt müssen in Bezug auf impfpräventable Krankheiten wachsam bleiben, selbst mit Blick auf Krankheiten, die wir in unserer Umgebung nicht vorfinden. Werden wir den richtigen Weg einschlagen? Ich glaube, ja.

Durch gemeinsame Planung und Umsetzung wirksamer Vorsorgemaßnahmen können die Länder der Europäischen Region Ziele wie die Erhaltung der Zertifizierung als poliofrei, die Eliminierung von Masern und Röteln und die Senkung der Mortalität infolge impfpräventabler Krankheiten verwirklichen und somit Ziel 4 der Millenniums-Entwicklungsziele (Senkung der Sterblichkeitsrate von Kindern um zwei Drittel bis 2015) erreichen. Alle Mitgliedstaaten haben sich mit der Annahme einer Resolution im September 2010 zur Verstärkung der Überzeugungsarbeit, zur Erhöhung des politischen Engagements und zur Bereitstellung ausreichender Mittel zur Erreichung dieser Ziele verpflichtet, und das Regionalbüro ist bereit, bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen Ihr Partner zu sein.

Beim WHO-Regionalbüro für Europa arbeiten wir darauf hin, unsere Region dem Ideal von mehr Gesundheit im nächsten Jahrzehnt näher zu bringen, indem wir im gesamten Spektrum staatlicher Entscheidungsprozesse auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene sowie in der Europäischen Region für gesundheitliche Belange werben. Wir sind zuversichtlich, dass die Politik „Gesundheit 2020“, die gegenwärtig ausgearbeitet wird, eine gemeinsame Vision und einen regionsweiten Handlungsrahmen bilden wird, der auf vereinbarten Werten und Grundsätzen sowie auf der besten verfügbaren Evidenz basiert. Die Vision gilt insbesondere für die Stärkung des Impfsystems, die Forcierung der Krankheitsbekämpfung und die Ausweitung von Überwachung und Kontrolle impfpräventabler Krankheiten und der entsprechenden Impfprogramme.

Die Europäische Impfwoche (EIW), eine vom Regionalbüro koordinierte Initiative, ist zu einem Forum geworden, auf dem der Nutzen von Impfmaßnahmen hervorgehoben und auf dem für bestimmte Themen sensibilisiert werden kann, etwa die Tatsache, dass es Gemeinschaften gibt, die keinen Zugang zu bisherigen oder neuen Impfstoffen haben. An der EIW 2010 nahmen 47 Mitgliedstaaten mit einem breiten und vielfältigen Spektrum von Aktionen zur Förderung oder Verabreichung von Impfungen teil. In diesem Jahr findet die Europäische Impfwoche vom 23. bis 30. April statt.

Wir alle teilen – als Eltern, medizinische Fachkräfte oder Entscheidungsträger – die soziale Verantwortung dafür, dass die Impfraten erhöht werden und für Impfung geworben wird, und dafür, dass unsere Kinder gesund und frei von Krankheiten bleiben, die sich durch Impfung vermeiden lassen.

Danke, dass Sie uns zur Teilnahme eingeladen haben.