Erklärung auf der Gipfelkonferenz von Kiew über die sichere und innovative Nutzung von Kernenergie

19. April 2011, Kiew, Ukraine

Exzellenzen,
sehr geehrte Gäste,
meine Damen und Herren!

Es ist mir eine große Ehre, heute auf diesem wichtigen Gipfeltreffen zu Ihnen sprechen und da-bei WHO-Generaldirektorin Margaret Chan vertreten zu dürfen, die heute leider nicht persönlich hier sein kann.

Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Gesundheit prüft die WHO laufend die wis-senschaftliche Evidenz über die gesundheitlichen Auswirkungen einer Exposition gegenüber io-nisierender Strahlung, damit politische Entscheidungen und Handlungskonzepte auf soliden Da-ten und gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen begründet sind.

Die Katastrophe von Tschernobyl aus dem Jahr 1986, deren 25. Jahrestag wir heute hier bege-hen, war eine menschliche Tragödie, die Tod, die Vertreibung großer Bevölkerungsgruppen, die Verseuchung weiter Gebiete und den Verlust von Existenzgrundlagen zur Folge hatte.

So möchte ich heute aller Opfer gedenken und allen Betroffenen das tiefe Mitgefühl der Mitar-beiter der WHO aussprechen: den 600 000 Rettungskräften, deren selbstloser Einsatz unmittelbar nach dem Reaktorunfall sowie beim Bau eines Sarkophags um den beschädigten Reaktor Millio-nen von anderen Menschen vor noch schlimmeren Folgen einer massiven Freisetzung von radio-aktivem Material bewahrt hat; den 6000 Kindern und Jugendlichen, die an Schilddrüsenkrebs erkrankt sind; den mehr als 330 000 Menschen, die aus ihren Städten und Dörfern evakuiert werden mussten; und den vielen anderen, die direkt oder indirekt von den Folgen des Unfalls be-troffen waren.

In den vergangenen 25 Jahren sind zahlreiche Untersuchungen über die von Tschernobyl betrof-fenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt worden. Sie haben unser Verständnis der gesundheitli-chen Folgen des Unfalls wie auch der Belastung durch ionisierende Strahlung allgemein erheb-lich verbessert. Dennoch könnten durch weitere Forschungsarbeiten und eine Erweiterung und Verbreitung unserer Wissensbasis noch mehr Informationen gewonnen werden, die für politische Entscheidungsprozesse und den Schutz der Gesundheit der Bürger herangezogen werden sollten.

Exzellenzen, meine Damen und Herren!

Das Erdbeben und der Tsunami in Japan vor wenigen Wochen und der dadurch ausgelöste Strahlennotfall in der Region um das Kernkraftwerk Fukushima haben uns erneut vor Augen geführt, wie dringend wichtig es ist, beim Umgang mit der Atomkraft im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung die höchsten Sicherheitsstandards einzuhalten. Sie verdeutlichen auch die Notwendigkeit, die nationalen Kapazitäten für die Vorbereitung auf etwaige Unfälle sowie für wirksame Gegenmaßnahmen weiter auszubauen, sowohl in Ländern mit Atomkraftwerken als auch anderswo. Nukleare Unfälle und Katastrophen machen nicht vor Grenzen Halt; deshalb sollten wir die Instrumente, die wir gemeinsam für Ereignisse mit grenzüberschreitenden Auswirkungen auf die Gesundheit entwickelt haben, optimal nutzen.

Die WHO wird ihre Mitgliedstaaten auch weiterhin durch Bereitstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Gesundheitsfolgenabschätzungen sowie durch Erleichterung der Überwa-chung und des Wissens- und Erfahrungsaustauschs zum Schutz und zur Förderung der Gesund-heit der Bevölkerung unterstützen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Hinweis: Aus Zeitgründen wurde die Erklärung in schriftlicher Form beim Sekretariat des Gipfeltreffens eingereicht.