Rede anlässlich der Abfahrt des UN70 Belarus Express

Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa

Minsk (Belarus), 23. Oktober 2015

Bahnhöfe sind sinnträchtige Orte und Schauplätze von so vielen emotionalen Abschieden und Wiedersehen. Ihre Architektur und ihre Räumlichkeit lassen uns sowohl an vergangene Zeiten als auch an ein modernes, effizientes und nachhaltiges Verkehrsmittel denken. Der Bahnhof hier in Minsk bildet da keine Ausnahme: Er wurde seit seinen Anfängen als ein Holzgebäude in den 1870er Jahren mehrmals neu gebaut und erneuert und wurde schließlich zu dem modernen Verkehrsknotenpunkt, wie wir ihn heute kennen.

Wir stehen hier am Ausgangspunkt einer Reise – einer Reise, die wir gemeinsam antreten werden, um eine dynamische neue Agenda zu feiern. Die Agenda für nachhaltige Entwicklung umfasst eine Erklärung, 17 Ziele und 169 Vorgaben, die unser aller Bemühungen zur Schaffung einer nachhaltigeren, chancengleicheren und gesünderen Welt in den nächsten 15 Jahren prägen werden.

Wie bei vielen Reisen, sollten wir auch hier einen Moment innehalten und auf den hinter uns liegenden Weg und das bisher Erreichte zurückblicken. Für die Familie der Vereinten Nationen und die Länder, denen sie dient, sind dies die Millenniums-Entwicklungsziele, die damals im Jahr 2000 vereinbart wurden. In dieser Hinsicht hat Belarus viel Grund stolz zu sein. Denn Ihr Land hat im Gesundheitsbereich beträchtliche Fortschritte bei der Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit erzielt, also bei zweien der Millenniums-Entwicklungsziele. 2014 lag die Säuglingssterblichkeitsrate bei 3,5 und die Müttersterblichkeitsrate bei 0,85 pro 1000 Lebendgeburten und gehörte damit zu den niedrigsten in der Europäischen Region.

Doch die komplexe und vernetzte Welt, in der wir heute leben, fordert eine noch ehrgeizigere, umfassendere, universelle neue Agenda für die Menschen, unseren Planeten und den Wohlstand – und genau hier liegt der Anspruch der Agenda für nachhaltige Entwicklung. Eines der 17 neuen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung – das Ziel 3 – hat einen konkreten Bezug zur Gesundheit: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern." Dieses Ziel und seine einzelnen Vorgaben bauen auf den Millenniums-Entwicklungszielen auf und beinhalten neue Prioritäten im Gesundheitsbereich, wie die Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten und die Sicherstellung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung, damit alle Zugang zu hochwertigen und bezahlbaren Gesundheitsleistungen und öffentlichen Gesundheitsdiensten erhalten. Zur Verwirklichung dieser neuen Vorgaben müssen wir alle tätig werden – wir alle treten diese Reise zusammen an.

In den letzten Monaten war ich wie viele andere berührt von den emotionalen Szenen auf Bahnhöfen in verschiedenen Teilen Europas und wurde zum Handeln veranlasst angesichts der zahllosen Menschen, die durch Instabilität, Unruhen und Gewalt vertrieben wurden und nun in unserer Europäischen Region Zuflucht und eine bessere Zukunft suchen.

Morgen ist der 70. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen, die unter dem Eindruck zweier verheerender Weltkriege entstanden. Wir leben in einer Welt, in der wir die globale Reichweite, Legitimität und Neutralität der Vereinten Nationen mehr denn je brauchen, und ebenso brauchen wir eine Agenda, die uns beflügelt und an unsere kollektive Verantwortung für die Schaffung einer gesünderen, gerechteren und sichereren Welt erinnert, in der keiner auf der Strecke bleibt.