Erklärung zum Weltgesundheitstag 2018: Gesundheit für alle

Es ist nicht hinnehmbar, dass heute irgendein Mensch – ob Rentner, Alleinerziehender, Arbeitsloser, der eigene Nachbar oder der eines anderen – in Armut gedrängt wird, indem er die Behandlung, die er benötigt, bezahlen muss.

Dr Zsuzsanna Jakab, WHO Regional Director for Europe

Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa

5. April 2018

Das Konzept der allgemeinen Gesundheitsversorgung ist ganz einfach: Sie soll alle Menschen in die Lage versetzen, die jeweils benötigten hochwertigen Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen, ohne in finanzielle Not zu geraten. Sie ist ein grundlegendes Menschenrecht, eine Vision, die die WHO in Partnerschaft mit den Ländern seit ihrer Gründung vor 70 Jahren verfolgt.

Doch trotz beeindruckender Fortschritte in der Europäischen Region der WHO können selbst die am weitesten fortgeschrittenen Länder nicht jeden vor finanziellen Härten schützen, die durch Zuzahlungen zur Gesundheitsversorgung aus eigener Tasche bedingt sind, und die größte Last fällt auf einkommensschwache und anfällige Menschen.

Es ist nicht hinnehmbar, dass heute irgendein Mensch – ob Rentner, Alleinerziehender, Arbeitsloser, der eigene Nachbar oder der eines anderen – in Armut gedrängt wird, indem er die Behandlung, die er benötigt, bezahlen muss. Niemand sollte sich entscheiden müssen, ob er Medikamente kauft oder Essen auf den Tisch bringt oder aber die Miete zahlt.

Europa ist seit langem dafür bekannt, dass es das Recht auf Gesundheit für alle und Chancengleichheit beim Zugang anerkennt. Das sind Leitwerte für unsere Gesundheitssysteme.

In der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wurde die allgemeine Gesundheitsversorgung, einschließlich der Absicherung gegen finanzielle Risiken, des Zugangs zu hochwertigen grundlegenden Gesundheitsdiensten und des Zugangs zu sicheren, wirksamen, hochwertigen und bezahlbaren unentbehrlichen Arzneimitteln und Impfstoffen für alle, zu einem globalen Ziel erklärt. In diesem Jahr haben sich die WHO und ihre Mitgliedstaaten zu einem ehrgeizigen Fünfjahresplan verpflichtet, mit dem die allgemeine Gesundheitsversorgung rascher verwirklicht werden soll.

Zum 70. Jahrestag der WHO sollten wir uns nicht nur die beeindruckenden Fortschritte im Gesundheitsbereich vor Augen führen, die zu unseren Lebzeiten erzielt wurden – routinemäßige Impfungen gegen Kinderkrankheiten, enorme Verbesserung der Gesundheit von Müttern, inhaltlicher Schwerpunkt auf gesunden Umfeldern, Schutz vor gesundheitlichen Bedrohungen und ein solider Rechtsrahmen, beispielsweise zur Beendigung des Tabakkonsums –, sondern auch ein neuerliches Bekenntnis zum grundlegendsten Ziel, der Gesundheit für alle, abgeben.

An diesem Weltgesundheitstag ruft die WHO die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Region auf, abgestimmte Maßnahmen zugunsten einer allgemeinen Gesundheitsversorgung zu treffen. Der allgemeine Zugang zu einem starken, widerstandsfähigen und bürgernahen, auf der Grundversorgung beruhenden Gesundheitssystem, in dem gemeindenahe Angebote, Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention zusammengeführt werden, geht einher mit sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen für den Einzelnen und die Gesellschaft.

Wir müssen auf dem bisher Erreichten aufbauen. In diesem Jahr begehen wir auch den 40. Jahrestag der wegweisenden Erklärung von Alma-Ata und den 10. Jahrestag der Charta von Tallinn: Gesundheitssysteme für Gesundheit und Wohlstand. 1978 bekundeten die Staats- und Regierungschefs ihre Entschlossenheit, Gesundheit für alle im Wege der primären Gesundheitsversorgung zu erreichen. Die Säulen der Erklärung – allgemeiner Zugang, gesundheitliche Chancengleichheit, ressortübergreifende Zusammenarbeit und Bürgerbeteiligung – sind wichtiger denn je, und wir müssen die begonnene Arbeit zu Ende führen.

Um die Zuzahlungen, die finanzielle Härten zur Folge haben, zu senken, sind konkret höhere öffentliche Ausgaben und durchdachte Versorgungskonzepte, vor allem für ärmere Menschen und andere anfällige Gruppen, vonnöten.

Damit die Länder fundierte Entscheidungen treffen können, nahm das WHO-Regionalbüro für Europa eine regionale Analyse der Stärke des finanziellen Schutzes und der Gesundheitsversorgungskonzepte vor, die die Leistung des Gesundheitssystems in 25 Ländern beeinflussen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass alle Länder im Hinblick auf eine allgemeine Gesundheitsversorgung mehr und Besseres leisten können.

Zudem ergibt sich aus der Analyse eine Vielzahl bewährter Verfahren, die veranschaulichen, wie die Länder einen starken finanziellen Schutz für alle bieten können. Auf der hochrangigen Tagung der WHO „Gesundheitssysteme für Wohlstand und Solidarität: niemand zurücklassen“ in Estland, die anlässlich des 10. Jahrestags der Charta von Tallinn stattfindet, sollen zentrale politische Botschaften vorgestellt werden.

Gesundheit ist unser höchstes Gut. Sie darf kein Luxus für Privilegierte sein. Wir alle profitieren sozial, wirtschaftlich und ökologisch von einer Welt, die Gesundheit für alle anstrebt. Es ist an der Zeit, dass wir uns diesem gemeinsamen Ziel mit vereinten Kräften widmen.