Gesichter der WHO – Pierre Roca

Pierre Roca

Pierre Roca

Pierre Rocas Vater war sehr international orientiert und machte sich jahrelang Sorgen über die mangelnde Begeisterung seines Sohnes, ins Ausland zu ziehen oder auch nur zu reisen. Doch dann entdeckte der zuvor sehr heimatverhaftete Franzose aus Bordeaux zur Erleichterung seines Vaters doch noch sein Migrationsgen. So kam Pierre fünf Länder und mehrere Arbeitgeber später nach Kopenhagen, wo er für das WHO-Regionalbüro für Europa als Regionalbeauftragter für Mittelbeschaffung im Referat Mittelbeschaffung und Bündnisse zuständig ist.


Was hat Sie an einer Tätigkeit bei der WHO gereizt?

Ich arbeite seit zwei Jahren für die WHO, also bin ich in WHO-Jahren noch ein Baby. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sagen das auch über mein tatsächliches Alter – 37. Aber ich habe immer daran gedacht, einmal für die WHO zu arbeiten, denn sie ist eine Organisation der Vereinten Nationen, in der sich mein Interesse an Gesundheit mit internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung und mit internationalen Beziehungen vereint.
Die kurze Version der Geschichte ist, dass ich gerade aus dem Ausland zurückgekehrt war, als ich auf diese Stellenanzeige der WHO stieß. Die Stellenbeschreibung klang sehr interessant, und die Tatsache, dass die Stelle in Kopenhagen ist, war ein Riesenanreiz, weil die Tätigkeit meiner dänischen Frau in Brüssel gerade zu Ende ging, was bedeutete, dass wir bald nach Dänemark zurückkehren würden. Doch mein Weg zur WHO hatte allerlei Drehungen und Wendungen.

Erklären Sie uns von diesen Drehungen und Wendungen.

Man kann wirklich nicht sagen, dass wir nach traditionellen Geschlechterrollen leben – ich folge meiner Frau überall hin! (lacht) Bisher hat eindeutig sie bestimmt, wo es lang geht. Ich habe Anne beim Studium in Brügge kennengelernt. Nach Abschluss meines Studiums ging ich nach Kopenhagen ohne große Pläne, gerade zu Beginn der Finanzkrise – was für ein Timing! Ich bekam Arbeit bei einem großen dänischen Pharmaunternehmen und war zuerst in Kopenhagen und später für zwei Jahre in einer Filiale in Algerien als Beauftrager für öffentliche und staatliche Kontakte in der Region Maghreb tätig. In der Zwischenzeit zog meine Frau nach Paris, um ihren zweiten Master-Abschluss zu machen. Während meines ersten Jahres in Algier pendelte meine Frau, während des zweiten Jahres sogar mit unserem ersten Kind, Leo! Diese beiden Jahre waren schon irgendwie verrückt. Nach der Zeit in Algier kehrten wir nach Kopenhagen zurück, doch dann zogen wir wieder um, nachdem meine Frau eine Stelle beim Außenministerium angetreten hatte. Sie wurde nach Brüssel versetzt, wo ich sowohl für die European Cancer Organisation als auch für die Europäische Kommission arbeitete. Jetzt sind wir wieder in Kopenhagen. Wer weiß, wohin es uns als Nächstes verschlägt?

Fühlt sich Kopenhagen wie zuhause an?

Kopenhagen – oder København auf Dänisch – macht auf jeden Fall dem „havn“ in seinem Namen – also „Hafen“– alle Ehre. Ich fühle mich bei der WHO und in der dänischen Hauptstadt zu Hause. Aber Anne ist eben Diplomatin, und irgendwann müssen wir wohl wieder umziehen. Aber nachdem ich die ersten 20 Jahre meines Lebens in Bordeaux verbracht habe, kann ich wirklich damit leben! Meine beiden Eltern sind sehr international orientiert und haben jahrelang in Haiti gearbeitet. Mein Vater ist spanischer Abstammung, wurde aber in Algerien geboren, und meine Mutter ist italienischer Abstammung und wurde in Tunesien geboren. Sie machten sich etwas Sorgen darüber, dass ich als Kind nie reisen oder an Sommer-Camps teilnehmen wollte. Dann ging ich mit 20 zum Studium nach Grenoble. Das war vielleicht nicht der abenteuerlichste Ort, aber seitdem ziehe ich ständig um.

Zurück zu Ihrer Tätigkeit: worauf kommt es bei Ihrer Arbeit im Bereich Mittelbeschaffung an?

Also zuerst einmal geht es da nicht um mich, sondern um das Team insgesamt. Unsere Aufgaben liegen im Bereich der befähigenden Funktionen: Man kann Mittelbeschaffung damit vergleichen, dass man nach Benzin für ein Auto sucht, um den Motor am Laufen zu halten. Es geht darum, die Organisation zu unterstützen und durch Verhandlungen Ressourcen für sie zu gewinnen, die ihr die Erfüllung ihres Auftrags ermöglichen. Das gilt für Länderbüros ebenso wie für Abteilungen und Programme beim Regionalbüro. Als WHO müssen wir Partnerorganisationen und Ressourcen mobilisieren, um Existenz und Funktionsfähigkeit der Organisation zu sichern, und es ist ein befriedigendes Gefühl, etwas zu tun, das eine eindeutige Zielrichtung und Bedeutung hat.

Apropos Zielrichtung – wie wirkt sich Ihre Arbeit auf andere aus?

Einerseits gibt es die großen Vereinbarungen wie die, die im vergangenen Jahr mit der Europäischen Union über die Reaktion auf COVID-19 und den Einsatz von Impfstoffen gegen COVID-19 in den Ländern der Östlichen Partnerschaft ausgehandelt wurde. Als Teil dieser Vereinbarung konnte die WHO im Rahmen der Reaktion auf COVID-19 Hilfsgüter wie Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte, Sauerstoffkonzentratoren und andere lebensrettende Geräte an verschiedene Länder in der Europäischen Region der WHO liefern. Diese Art von Vereinbarung, bei der große Frachtflugzeuge Hilfsgüter einfliegen und unentbehrliche fachliche Hilfe und Kapazitätsaufbau bereitgestellt werden, ist natürlich sehr greifbar. Doch in unserer Arbeit geht es auch viel darum, kleine Siege zu erringen, etwa durch Sicherung kleiner Zuwendungen in Bereichen, die gegenwärtig weniger Aufmerksamkeit erhalten, wie nichtübertragbare Krankheiten, Krebs, Umwelt und Gesundheit, Gesundheitssysteme oder die Unterstützung der kleineren Länderbüros. Das ist genauso wichtig und lohnend. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass die eingeworbenen Mittel dazu beitragen werden, Leben und Gesundheit der Menschen zu verbessern.

Was tun Sie, um Ihre Gesundheit zu erhalten und Ihren Akku wieder aufzuladen?

Wir haben das Glück, ein Sommerhaus hier in Dänemark zu haben. Zu meiner Überraschung weiß ich seit den durch COVID-19 bedingten Beschränkungen Natur und Sommerhaus mehr zu schätzen, als ich je erwartet hätte. Es ist schön, der Natur näher zu sein, und ich habe angefangen, auf dem SUP Board zu paddeln. Trotzdem bin ich insgesamt eher ein Stadtmensch. Ich gehe ganz im sozialen Leben auf, und deshalb war die Pandemie für extrovertierte Menschen wie mich ein herber Schlag, mit Auswirkungen auf alles, was ich mag; aber sie hat mich auch gelehrt, den Wert sozialer Begegnungen zu schätzen. Das Gleiche gilt für Reisen. Ich habe keine großen Hobbies, aber ich genieße Musik, Kino und Dokumentarfilme. Ich habe eine Plattensammlung und zwei Plattenspieler. Das war schon immer eine Leidenschaft von mir – Live-Konzerte und gute Musik wie Hip-hop, Reggae und Soul. Meine Eltern hörten viel karibische und afrikanische Musik. Einen Draht zu Hip-hop bekam ich wohl in meiner Jugend, vor allem wegen der Texte und der irgendwie revolutionären Botschaft der Songs. Wo wir von Akku aufladen reden, ich muss endlich mal wieder zu einem Konzert!

Was für ein Konzert wäre das?

Ich höre mir viele verschiedene Stile an, und es gibt viele Künstler, die ich gerne live erleben würde, aber ich finde Nick Cave einfach fantastisch, er wäre definitiv unter den ersten Fünf, auch wenn ich eigentlich kein großer Rock-Fan bin. Sein Konzert sollte Ende letzten Jahres stattfinden. Dann wurde es auf Mai verschoben, aber schließlich ganz abgesagt. Also ihn würde ich gern nochmal live sehen. Ich mag diese „was-ist-dein-Lieblings“-Fragen nicht!

Was wäre Ihr Lieblingsbuch und -album für eine einsame Insel?

„Eine halbe gelbe Sonne“ von Chimamanda Ngozi Adichie. Und wegen der Space-Musik in meinem Interview würde ich zwei Alben wählen: „War Ina Babylon“ von Max Romeo und „The Universe Smiles Upon You“ von Khruangbin.

Und wen würden Sie zum Abendessen einladen, wenn Sie eine – lebende oder historische – Person einladen könnten? Sie müssen nicht selbst kochen.

Vielleicht meine Frau. Ich bin nicht so der Typ, der mit Präsidenten speisen würde. Ich würde mit meiner Frau zu Abend essen.


WHO-Regionalbüro für Europa: Referat Mittelbeschaffung und Bündnisse (RMA)

  • Mitarbeiter: 8
  • Das Referat Mittelbeschaffung und Bündnisse (RMA) gehört zum Büro des Regionaldirektors. Es berät das Regionalbüro zu seiner externen Strategie für Beziehungen und Zusammenarbeit mit wesentlichen Partnern in den Bereichen Gesundheit und Ressourcen und schmiedet und pflegt strategische Allianzen für die Umsetzung des Europäischen Arbeitsprogramms 2020–2025 – „Gemeinsam für mehr Gesundheit in Europa“, des Dreizehnten Allgemeinen Arbeitsprogramms 2019–2023 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Das Referat RMA hat auch die Koordinationsfunktion für die Kooperationszentren der WHO inne.
  • Das Referat RMA kontaktiert und führt Organisationen der Vereinten Nationen in Bezug auf Initiativen und Arbeitsprozesse im Gesundheitsbereich zusammen. Es begründet, erhält und stärkt Arbeitsbeziehungen mit Partnerorganisationen (einschließlich nichtstaatlicher und privatwirtschaftlicher Akteure) durch regelmäßige Treffen, Beratungen und Vereinbarungen.
  • Das Referat arbeitet in enger Abstimmung mit der Vertretung der WHO bei der Europäischen Union sowie mit allen Fachreferaten, WHO-Länderbüros und Bediensteten beim WHO-Hauptbüro und in den anderen Regionen.