Ansprache von Frau Zsuzsanna Jakab auf der 126. Tagung des WHO-Exekutivrats
19. Januar 2010, Genf
Ich empfinde es als eine große Ehre und bin voller Dankbarkeit über das Vertrauen und die Hoffnung, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Region durch meine Nominierung zur Regionaldirektorin zum Ausdruck gebracht haben. Ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, um diese hohen Erwartungen zu erfüllen, und sehe erwartungsvoll der weiteren Beratung und Unterstützung durch die Mitgliedstaaten, die Generaldirektorin und meine Kollegen sowie andere Partner entgegen.
Das WHO-Regionalbüro für Europa liegt mir sehr am Herzen, denn es war richtungweisend für meinen beruflichen Werdegang. Durch meine Anstellung bei der WHO betrat ich die internationale Bühne der Gesundheitspolitik – und ich hatte dort einige der besten Lehrmeister, die man sich vorstellen kann. Anfangs arbeitete ich unter der einzigartigen, charismatischen Führung von Dr. Leo Kaprio; später gab mir Dr. Jo Asvall die Chance, den Mitgliedstaaten der Region in verschiedenen Funktionen zu dienen. Meine Zeit als Direktorin der Abteilung Gesundheitsentwicklung der Länder gab den Ausschlag dafür, dass ich die Arbeit für, mit und in den Ländern suchte. Auch Dr. Marc Danzon ermöglichte es mir, als Direktorin für Verwaltung und Managementunterstützung meinen Erfahrungsbereich und meine Tätigkeit im Dienste unserer Mitgliedstaaten zu erweitern – bis mein Land mich zurückberief, um im Hinblick auf den Beitritts Ungarn zur Europäischen Union einen Beitrag zur Modernisierung des Gesundheitswesens zu leisten.
Danach war ich die erste Direktorin des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten in Stockholm. Dort war ich in den letzten fünf Jahren mit der Aufgabe betraut, eine für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten neue Art von Institution aufzubauen. Auch wenn es mir sehr schwer fiel, mein „Kind“ zurückzulassen, ist es auch ein wirklich gutes Gefühl, „wieder zu Hause“ bei der WHO zu sein.
Aufgrund meiner Erfahrungen bin ich der WHO in hohem Maße zu Dank verpflichtet. Ich werde mich daher mit all meiner Kraft und meinen Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die lange und erfolgreiche Tradition des Regionalbüros im Bereich der öffentlichen Gesundheit fortgesetzt und ausgebaut wird, damit die vielgestaltigen Bedürfnisse und hohen Erwartungen all unserer Mitgliedstaaten erfüllt und die Arbeit der Region vollkommen in globale und interregionale Entwicklungen eingebettet werden können. In dieser globalisierten Welt kann kein Land und keine Region allein bestehen.
Die Vielfalt der Europäischen Region macht sowohl ihre Schönheit als auch ihre Stärke aus. Die vielfältigen und unterschiedlichen gesundheitlichen Bedürfnisse stellen dagegen eine Herausforderung dar. In der Vielfalt liegt aber auch eine Chance, denn diese Region ist ein einmaliges Sammelbecken für eine Vielzahl innovativer Gesundheitskonzepte und Gesundheitssysteme, über die wir allerdings nicht nur einander, sondern vielmehr die ganze Welt besser informieren müssen. Meine Vision ist es, aus dem Regionalbüro ein leistungsstarkes, renommiertes und evidenzbasiertes Kompetenzzentrum für öffentliche Gesundheit und Innovation in der Europäischen Region zu machen, das in Gesundheitspolitik und Fragen der öffentlichen Gesundheit führend in Europa ist. Dieses Zentrum muss in der Lage sein, an vorderster Front Entwicklungen abzuschätzen und in die richtigen Bahnen zu leiten, um die Bedürfnisse aller Mitgliedstaaten wirksamer vorhersehen, unterstützen und befriedigen zu können.
Die Anforderungen an Gesundheitsschutz und Gesundheitssicherheit waren in der Region wie auch weltweit noch nie so deutlich wie heute. Sie sind mit der wirtschaftlichen Krise verknüpft, welche die Region und die gesamte Welt erschüttert. Die gesundheitliche Kluft in der Europäischen Region und die wachsenden gesundheitlichen Ungleichheiten sowohl in als auch zwischen ihren Mitgliedstaaten geben in Verbindung mit dem demografischen und gesellschaftlichen Wandel in der Region Anlass zu größter Sorge. Die dreifache Herausforderung durch die Pandemie H1N1/2009, die sich ausweitende Epidemie nichtübertragbarer Krankheiten und die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zwingt uns, die Instrumente und Konzepte des Gesundheitswesens im 21. Jahrhundert weiterzuentwickeln und zu stärken.
Diese Herausforderung ist so komplex, dass wir ihr durch eine neue Gesundheitspolitik in der Region begegnen müssen, die Gesundheit in alle staatlichen Ressorts einbezieht und zu einem Teil der Gesamtverantwortung des Staates macht, wonach jeder Minister gewissermaßen ein Gesundheitsminister in seinem Ressort ist. Viele Gesundheitsprobleme des 21. Jahrhunderts – etwa die Epidemie nichtübertragbarer Krankheiten mit einem Anteil von 80% an der Krankheitslast in der Region – stellen systemische Risiken dar, die einen geschlossenen Lösungsansatz erfordern. Unsere Antworten hierauf müssen die gesellschaftlichen und gesundheitlichen Determinanten, die staatliche und die persönliche Verantwortung sowie die Rolle der Wirtschaft und anderer gesellschaftlicher Akteure in Kombination berücksichtigen.
Angesichts dieser Herausforderungen sind in unserer zunehmend globalisierten Welt auf allen Ebenen eine neue Art der Überzeugungsarbeit und Steuerung sowie neue Antworten auf Fragen in Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik erforderlich. Jetzt ist für alle, die sich mit diesen Themen befassen, offenkundig nicht die Zeit für ein „Weiter so“. Ich bin überzeugt, dass das Regionalbüro für Europa bei der Bewältigung der Herausforderungen als aktiver Vorreiter sowie als belastbarer Partner eine Schlüsselstellung innehat, wenn gemeinsames Handeln notwendig ist. Wichtig ist, dass wir unsere Fähigkeit stärken, uns effektiv und effizient an sich rasch wandelnde Umstände anzupassen und den gesamten Schatz an Wissen, Erfahrung und Kompetenz unserer enorm großen und vielfältigen Region zu nutzen – nicht nur für mehr Gesundheit in der Region, sondern auch für den Beitrag der Region zur Gesundheit in der Welt insgesamt.
Zum Ende möchte ich unsere Generaldirektorin Margaret Chan zitieren – und es bereitet mir wirklich große Freude, wieder mit ihr und den Kollegen im Hauptbüro sowie den übrigen Regionaldirektoren zusammenarbeiten zu dürfen.
Während ihrer Ansprache vor dem Regionalkomitee für Europa im vergangenen September hat sie die Mitgliedstaaten dafür gelobt, dass sie „als Privilegierte ihre Verantwortung“ erkannt haben. Ich betrachte das mir verliehene Privileg, als nächste Regionaldirektorin das Regionalbüro für Europa führen zu dürfen, als eine enorme Verantwortung, der ich mich mit all meiner Kraft und mit Unterstützung der Bediensteten des Regionalbüros stellen werde. Dies ist mein Versprechen an unsere Mitgliedstaaten und an Sie als die eine WHO.
Ich bin zuversichtlich, dass wir die Gesundheit aller Menschen in der Region verbessern können: durch den Aufbau starker Partnerschaften und durch „Gesundheitskoalitionen“, an denen sich die Mitgliedstaaten, das Hauptbüro und die anderen Regionalbüros der WHO, andere Organisationen der Vereinten Nationen, die Europäische Union, der Globale Fonds, die Weltbank und die vielen anderen gesundheitspolitischen Akteure beteiligen, von denen – zumindest aus meiner Sicht – die Zivilgesellschaft eine hervorgehobene Rolle spielen muss. Insbesondere möchte ich auch den am stärksten gefährdeten Gruppen in der Region Gehör verschaffen und mich dafür einsetzen, dass Gesundheit auch für sie erreichbar wird.
Mein demütiger und aufrichtiger Dank noch einmal für das in mich gesetzte Vertrauen. Und ich wiederhole hier nochmals, was ich schon in meiner Ansprache nach meiner Nominierung vor dem Regionalkomitee im September gesagt habe: In meiner Bewerbungskampagne habe ich zum Ausdruck gebracht, dass ich an das WHO-Regionalbüro für Europa glaube und weiß, dass ich es zum Erfolg führen kann. Nun möchte ich gerne sagen, dass wir es gemeinsam zum Erfolg führen werden!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.