Begrüßung zur ersten Tagung des Europäischen Ministerausschusses für Umwelt und Gesundheit

Paris, 4.–5. Mai 2011

Frau Staatssekretärin, sehr geehrte Exzellenzen, liebe Kollegen,
lassen Sie mich eingangs herzlich bei der französischen Regierung und dem Gesundheitsministerium für das gestrige wunderbare Abendessen und die überaus großzügige Gastfreundschaft bedanken, die uns hier in Paris widerfährt.

Es ist mir eine große Freude, Sie im Namen des WHO-Regionalbüros für Europa zu dieser Tagung begrüßen zu dürfen. Ich danke auch Ihnen allen, dass Sie sich die Zeit zur Mitarbeit im ersten Europäischen Ministerausschuss für Umwelt und Gesundheit genommen haben.

Mitgliedstaaten und andere Akteure haben dem Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa nunmehr ein viel schärferes politisches Profil verliehen, als es in den vorangegangenen zwei Jahrzehnten der Fall war. Indem die Lenkungsmechanismen gestärkt wurden, wurde auch die Grundlage für die Er-neuerung und Stärkung eines besser in die Region integrierten Prozesses geschaffen.

Wir benötigen hierfür Ihre Führung und Leitung, denn der Prozess wird nur bei erfolgreicher Unterstützung nationaler Maßnahmen gelingen, welche die Grundlage von Fortschritten für Umwelt und Gesundheit in Europa und das Erreichen der ehrgeizigen Ziele von Parma sind. Mehr Verantwortlichkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass wir Fortschritte in allen Ländern erzielen können, und wir brauchen Zusammenarbeit, damit wir ein starkes und transparenteres System zur Beobachtung der Umsetzung und zur Rückmeldung über die in der gesamten Region der WHO erzielten Ergebnisse schaffen können.

Europa ist auf der Suche nach Führung, Einbeziehung und Orientierung durch die den Prozess anführenden Länder. Ich erhoffe mir von Ihnen auch Orientierungspunkte für das WHO-Sekretariat, damit es die vorrangigen Themen erkennen und den Fokus auf länderübergreifende Maßnahmen bewahren kann. Dies ist insbesondere schwierig für die in Parma definierten Prioritäten zur Verringerung der großen Abstände in Bezug auf Umwelt und Gesundheit innerhalb und unter den Ländern unserer Region. Die Probleme etwa mit Wasserversorgung und Abwasserentsorgung oder mit Luftverschmutzung verschwinden ja nicht von selber und der Erfolg erfordert einen langen Atem.

Auch müssen wir dynamisch und effektiv neue Problemstellungen und unvorhergesehene Ereignisse angehen, die fachliche Unterstützung und die Schaffung von Kapazitäten und politischem Konsens erforderlich machen. Wir erinnern uns vielleicht noch an die seit der Ministerkonferenz von Parma in der Region aufgetretenen und schnelles Handeln erfordernden Notlagen im Bereich von Umwelt und Gesundheit: der Vulkanausbruch auf Island, die Waldbrände in der Russischen Föderation, die Über-schwemmungen in Mittel- und Südosteuropa und ein großer Chemieunfall in Ungarn. Sie belegen alle die Notwendigkeit, ein effektives Krisenmanagement für diese Situationen zu erhalten und zu verbes-sern.

Ich komme gerade von einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 25. Jahrestags des Tschernobylun-falls. Die gesamte Tagung wurde von der aktuellen Katastrophe in Japan und der daraus resultierenden Strahlenbelastung überschattet. Sie hat uns auf ernüchternde Weise daran erinnert, wie wichtig in der Kerntechnik die Einhaltung geeigneter Sicherheitsstandards sowie die Vorbereitung wirksamer Not-fallmaßnahmen sind, damit alle Länder, ob sie die Atomkraft nutzen oder nicht, die Gesundheit der Menschen schützen können. Wenn ich den Verlauf der Energiedebatte in vielen europäischen Ländern betrachte, erkenne ich für den Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa eine wichtige Aufgabe dar-in, die zentrale Stellung von Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen in der Diskussion über energiepolitische Optionen zu verteidigen. Der Prozess, an dem Gesundheitsministerien und Umwelt-ministerien gleichen Anteil besitzen, kann ein geeignetes Forum für den Austausch von Ansichten, Erfahrungen und Kenntnissen in diesem Bereich sein.

Ich halte den Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa auch im Zusammenhang mit der aktuellen Herleitung einer neuen Europäischen Gesundheitspolitik „Gesundheit 2020“ für wichtig, die dem WHO-Regionalkomitee für Europa auf seiner 62. Tagung im Jahr 2012 zur Annahme vorgelegt wer-den wird. Ich sehe in dem Prozess einen innovativen Steuerungsmechanismus, durch den in einem wichtigen Bereich der öffentlichen Gesundheit Führungsarbeit geleistet wird und durch den Politik für Umwelt und Gesundheit in Europa gemacht wird.

Letzte Woche fand in Moskau eine Vorkonferenz für die später im Jahr 2011 stattfindende Hochran-gige Tagung der Vereinten Nationen zum Thema nichtübertragbare Krankheiten statt. In der Erklärung von Parma wird ausdrücklich eine Verbindung zwischen umweltbedingten Determinanten und nicht-übertragbaren Krankheiten gezogen und das dient anderen Weltregionen als Vorbild für die konkrete und effektive Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten durch primärpräventive Maßnahmen. Ich sehe in dem Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa und der mit ihm verbundenen sektorübergrei-fenden Arbeit ein praktisches Beispiel für strategische Weitsicht und für „Gesundheit in allen Politik-bereichen“.

Ich hoffe, dass durch den Prozess die Aspekte von Gesundheit und Wohlbefinden in der Umweltpoli-tik deutlicher hervortreten. Ich hoffe auch sehr, dass die Partnerschaft mit der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) dazu führen wird, dass enge Verbindungen zwischen dem Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa und dem Prozess „Umwelt für Europa“ geknüpft werden, der im September in Astana (Ka-sachstan) in der gleichnamigen Ministerkonferenz gipfeln wird.

Bei dieser ersten Tagung des Ausschusses müssen wir seine Leitungsrolle festlegen und über die wei-tere Behandlung der Verpflichtungen von Parma befinden. Der organisatorische Aufbau und die Nachhaltigkeit der Arbeit werden über den Erfolg des Prozesses Umwelt und Gesundheit in Europa entscheiden.

Lassen Sie mich diese einleitende Begrüßung mit dem Hinweis auf den letzten Punkt unserer umfang-reichen Tagesordnung schließen: Auf der Tagung des Regionalkomitees im September letzten Jahres in Moskau habe ich bereits gesagt, dass der Erfolg des Prozesses von der Mobilisierung der für die Maßnahmen und Aktivitäten erforderlichen Ressourcen abhängt und dass ich diesen Punkt in einem geeigneten Forum ansprechen werde. Am Nachmittag werde ich Ihnen über die jüngsten Entwicklun-gen innerhalb der WHO berichten, die unsere Rolle in diesem Prozess sichern und stärken sollen. Ich bin heute hier, damit ich Sie um Unterstützung und Führung im Aufbau einer starken und nachhaltigen Partnerschaft und in der Mittelbeschaffung für den Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa bitten kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen fruchtbare Gespräche.