Bilanz nach einem Jahr: Europäisches Arbeitsprogramm bildet wesentlichen Bestandteil der Reaktion auf COVID-19

WHO/Pierre Albouy

Ein Jahr ist seit der Bestätigung von Dr. Hans Henri P. Kluge als WHO-Regionaldirektor für Europa vergangen, in dem er die Annahme des Europäischen Arbeitsprogramms 2020–2025 – „Gemeinsam für mehr Gesundheit in Europa“ (EPW) durch die Mitgliedstaaten vorangetrieben hat, das bereits jetzt Einfluss auf die Reaktion von WHO/Europa auf die Pandemie hat.

Das EPW enthält vier Flaggschiff-Initiativen: verhaltensbezogene und kulturelle Erkenntnisse, psychische Gesundheit, Impfmaßnahmen und digitale Gesundheit. Im Verlauf der COVID-19-Pandemie hat WHO/Europa Zeichen gesetzt und gezeigt, inwiefern diese Initiativen während gesundheitlicher Notlagen Unterstützung und Hilfestellung bieten und in den kommenden Jahren als Katalysator für die Arbeit des Regionalbüros und der Gesundheitsbehörden dienen können.

Das EPW ist eng verknüpft mit dem Allgemeinen Arbeitsprogramm der WHO und der dreifachen Milliarden-Zielmarke – eine Milliarde Menschen mehr erhalten Zugang zur Gesundheitsversorgung, eine Milliarde Menschen mehr erleben eine Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden und eine Milliarde Menschen mehr werden wirksamer vor gesundheitlichen Notlagen geschützt – und setzt diese Ziele in Initiativen um, die für die Bürger in der Europäischen Region von Bedeutung sind.

Verhaltensbezogene und kulturelle Erkenntnisse

Das im Gesundheitsbereich relativ neue Feld der verhaltensbezogenen und kulturellen Erkenntnisse bemüht sich darum, die Triebkräfte und Barrieren für Gesundheit besser zu verstehen. Im April 2020, als die COVID-19-Pandemie die Gesundheitssysteme vor erhebliche Herausforderungen stellte, war es von großem Wert, das Maß an öffentlichem Vertrauen und die Wahrnehmung möglicher Risiken und Barrieren in Verbindung mit der Einhaltung der empfohlenen Maßnahmen (wie Selbstisolierung und Quarantäne) besser zu verstehen.

Vor diesem Hintergrund führte WHO/Europa ein Instrument für verhaltensbezogene Erkenntnisse ein, das Behörden mit seiner Einführung in mehr als 30 Ländern in der Europäischen Region für die Ausrichtung ihrer Reaktion auf die Pandemie wertvolle Erkenntnisse bietet.

Darüber hinaus organisierte WHO/Europa ein virtuelles Meeting für maßgebliche Akteure, das Gelegenheit zum Austausch von Erfahrungen und vorbildlichen Praktiken für die Bekämpfung von Pandemiemüdigkeit bot und zur Einrichtung eines virtuellen Politischen Forums für den regelmäßigen Austausch zwischen den Ländern führte. Dieses Forum erleichtert Diskussionen über die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und zwar konkret unter dem Gesichtspunkt von verhaltensbezogenen und kulturellen Erkenntnissen.

„Die COVID-19-Pandemie hat den Wert und die Notwendigkeit verhaltensbezogener und kultureller Erkenntnisse im Gesundheitsbereich verdeutlicht. Wir haben eng mit der WHO zusammengearbeitet, um uns diesen Ansatz zunutze zu machen, und das Instrument für Erhebungen zu verhaltensbezogenen Erkenntnissen an unsere örtlichen Gegebenheiten angepasst. Die Ergebnisse flossen auch in den Prozess der Anpassung von Gegenmaßnahmen zur Bewältigung der Pandemie in Moskau ein“, erklärte Ignat Bogdan, Leiter der Abteilung für medizinische und soziologische Forschung am Forschungsinstitut für Gesundheitsversorgung und Medizinmanagement, das der Gesundheitsbehörde in Moskau unterstellt ist.

Psychische Gesundheit

Im Laufe des Jahres 2020 kündigte WHO/Europa Pläne zur Einrichtung eines Bündnisses für psychische Gesundheit an. Das Thema psychische Gesundheit stellt das öffentliche Gesundheitswesen und die nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Region schon länger vor enorme und wachsende Herausforderungen. Durch COVID-19 haben sich das bereits bestehende Ausmaß an psychiatrischer Morbidität und psychosozialer Behinderung in der Bevölkerung noch verschlimmert und die bestehenden Ungleichgewichte hinsichtlich einer angemessenen, leicht zugänglichen und bezahlbaren Gesundheitsversorgung weiter verschärft.

Schätzungen zufolge leben allein in der Europäischen Region über 110 Mio. Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Es wird jedoch befürchtet, dass sich die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns, die in einigen Fällen erhebliche Einschränkungen für das Leben der Menschen mit sich brachten, auf die psychische Gesundheit der Menschen auswirken.

WHO/Europa hat unter Schwerpunktlegung auf die Pandemie einen Bericht ausgearbeitet, der sich damit befasst, inwiefern psychiatrische Langzeiteinrichtungen die Auswirkungen von COVID-19 gespürt haben. Die Grundlage des Berichts bildete eine Umfrage unter 169 Langzeiteinrichtungen, die dazu dienen sollte, die Folgen der Pandemie auf Leistungsangebot, Mitarbeiter, Leistungsempfänger und Bewohner mit psychosozialen und geistigen Behinderungen einzuschätzen.

Darüber hinaus plant WHO/Europa die Einrichtung eines fachlichen Beirats zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die psychische Gesundheit.

Impfmaßnahmen

Im Verlauf der COVID-19-Pandemie wurden Impfstoffe als wichtige Ergänzung zu den vorhandenen Instrumenten zur Eindämmung der Pandemie und zum Schutz der stark belasteten Gesundheitssysteme identifiziert.

Die Flaggschiff-Initiative des EPW zur Europäischen Impfagenda 2030 zielt darauf ab zu gewährleisten, dass alle Menschen im Laufe ihres Lebens den vollen Nutzen aus Impfstoffen ziehen können, ganz gleich, wer sie sind, wo sie leben oder wann sie geboren wurden.

Aufbauend auf Routineimpfprogrammen in den Ländern hat WHO/Europa die Mitgliedstaaten konkret in strategischen Programmbereichen im Hinblick auf den effektiven Einsatz von Impfungen und COVID-19-Impfstoffen unterstützt. Zu den wichtigsten Programmbereichen, in denen entsprechende Unterstützung geleistet wurde, zählen: nationale Impfstrategien, Daten- und Informationsmanagement, Regulierung und Sicherheit von Impfstoffen sowie Bedarf an und Akzeptanz von Impfstoffen.

Ferner hat WHO/Europa Wege gefunden, um die Länder bei der Aufrechterhaltung zweigleisiger Gesundheitssysteme zu unterstützen, in deren Rahmen das Angebot von Impfmaßnahmen einen wichtigen Bestandteil der unentbehrlichen Gesundheitsleistungen darstellt. Dies ist unerlässlich, um zu gewährleisten, dass Kinder die empfohlenen Routineimpfungen erhalten. Die Länder sollten Nachimpfungen organisieren, um infolge von COVID-19 und den in diesem Zusammenhang verhängten Maßnahmen verpasste Impfungen nachzuholen und so möglicherweise tödliche Ausbrüche impfpräventabler Krankheiten, wie etwa Masern, zu verhindern. Im April veröffentlichten WHO/Europa und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) anlässlich der Europäischen Impfwoche eine gemeinsame Erklärung, in der sie vor den Gefahren verpasster Impfungen warnten. Die Erklärung umfasste zudem Empfehlungen von WHO/Europa bezüglich der Aufrechterhaltung der routinemäßigen Impfangebote während der Pandemie.

Digitale Gesundheit

Digitale Gesundheit prägt mittlerweile nahezu alle Gesundheitsbereiche. Im Verlauf der Pandemie ist die Bereitstellung der primären Gesundheitsversorgung mithilfe von e-Konsultationen zu einer wichtigen Möglichkeit geworden, um der Bevölkerung Gesundheitsdienste anzubieten, etwa in Fällen, in denen von Reisen und persönlichen Konsultationen abgeraten wurde oder wenn die Patienten gezwungen waren, sich von anderen zu isolieren, oder unter Quarantäne standen.

Zu Beginn der Pandemie leistete WHO/Europa finanzielle Unterstützung für das rumänische Projekt Tel Verde (Die grüne Leitung), einer nationalen Hotline für die allgemeine Öffentlichkeit, über die aktuelle Informationen und Ratschläge zu COVID-19 bereitgestellt werden.

Im Oktober letzten Jahres vereinbarten die WHO und die Regierung Estlands, gemeinsam einen digital erweiterten Internationalen Impfausweis zu entwickeln. Der Ausweis, der auch zur Unterstützung der COVAX-Initiative dienen soll, soll als „smarter Impfausweis“ auch als Nachweis genutzt werden können, dass man gegen COVID-19 geimpft ist.

Zudem hat WHO/Europa die Mitgliedstaaten bei Bewusstseinsbildung, Prävention und Ermittlung von Kontaktpersonen unterstützt, etwa mithilfe von Chatbots und Websites zum Zwecke der Risikokommunikation. Digitale Gesundheit hat darüber hinaus Krankenhäusern und Gesundheitszentren bei der Bewältigung starker Anstiege der Fallzahlen sowie allgemein bei der Unterstützung von Tests und Forschung geholfen.

Länderbüros

Im Mittelpunkt des EPW stehen die Länder, und die Länderbüros der WHO haben bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten im Laufe der COVID-19-Pandemie eine wichtige Rolle gespielt. Hierzu zählte etwa die Sicherstellung, dass dringend benötigte Hilfsgüter geliefert werden, wie etwa persönliche Schutzausrüstung für Gesundheitspersonal.

Zudem haben die Länderbüros eng mit den nationalen Behörden zusammengearbeitet und ihnen die aktuellen Leitlinien der WHO zur Verfügung gestellt, sowie Anrufe der Medien in der Landessprache entgegengenommen und damit sichergestellt, dass die evidenzbasierten Empfehlungen die Allgemeinbevölkerung in der Landessprache erreichen.

Auch dies verdeutlicht die Umsetzung des EPW in die Praxis, und somit die Gewährleistung von mehr Gesundheit und Wohlbefinden, dass mehr Menschen Zugang zur allgemeinen Gesundheitsversorgung erhalten und mehr Menschen wirksamer vor gesundheitlichen Notlagen geschützt sind.