Mit gesundem Menschenverstand gegen Antibiotikaresistenzen
Ein Interview mit Uga Dumpis
„Wegen der Wirtschaftskrise fehlen Lettland die zusätzlichen Mittel, die für neue Initiativen im Gesundheitsbereich erforderlich wären. Doch die Verwaltung des Krankenhauses, in dem ich arbeite, erkannte die Gefahr durch Krankenhausinfektionen und antimikrobielle Resistenzen, so dass es uns mit gesundem Menschenverstand gelang, die Raten relativ niedrig zu halten. Mit der Förderung von Handhygiene und der sachgemäßen Anwendung von Antibiotika kann schon viel erreicht werden.“
„Das Problem der Krankenhausinfektionen wird durch das Zusammenwirken von chirurgischen Verfahren, unzureichender Hygiene und Antibiotikaresistenz verstärkt. Als leitender Verantwortlicher für die Infektionsschutzmaßnahmen am Universitätsklinikum Pauls Stradins in Lettland inspiziere ich die verschiedenen Stationen und kann leicht erkennen, welche Patienten sich im Krankenhaus infiziert haben. (In dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, und allgemein landesweit liegt oftmals jeder dritte Patient auf der Intensivstation.) 2004 waren fast 30% der Patienten mit einer Staphylococcus-aureus-Bakteriämie in meinem und an anderen Krankenhäusern in Lettland mit dem methicillin-resistenten Staphylococcus aureus infiziert. Ich erkannte, dass sofort etwas geschehen musste, nicht nur an meinem Arbeitsplatz, sondern auch in den anderen Krankenhäusern.“
So schlug Uga Dumpis eine Reihe von bezahlbaren und realistischen Maßnahmen vor, an deren Umsetzung zur Verbesserung der Bedingungen in seinem Krankenhaus er auch intensiv beteiligt war. Darunter waren:
- Händewaschen mit einer Alkohollösung und Vermittlung dieser Gewohnheit an andere Kollegen;
- Nutzung von Postern der WHO und anderen Informationen zur Förderung von Handhygiene;
- Schulung von Mitarbeitern im Bereich Infektionsschutz;
- Bildung von Teams und Ausschüssen für Infektionsbekämpfung;
- Screening für Hochrisiko-Patienten schon bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus;
- Isolierung von Patienten mit multiresistenten bakteriellen Infektionen;
- Umfragen innerhalb des Krankenhauses, um sich ein Bild vom Antibiotikaverbrauch machen und entsprechende Leitlinien ausarbeiten zu können;
- Nutzung kostenloser Software der WHO zur Eingabe und Analyse mikrobiologischer Daten (WHONET 5) und zur Durchführung einer epidemiologischen Surveillance (EPI INFO).
Im Zuge einer informellen Vernetzung schlossen sich andere Krankenhäuser der Initiative von Dr. Dumpis an. Seit der Annahme dieser Verfahren ist der Anteil der Infektionen mit methicillin-resistenten Bakterien vom TypStaphylococcus aureus nach Aussage von Uga Dumpis in seinem Krankenhaus und anderen größeren Krankenhäusern Lettlands auf weniger als 10%, in den meisten sogar auf unter 5% gesunken.
Schneeballeffekt
Uga Dumpis erzählt, er sei an seinem Arbeitsplatz anfangs der einzige Experte für Infektionsschutz gewesen, und auch andere Krankenhäuser im Land hätten keine Teams für die Infektionsbekämpfung gehabt. Seitdem ist es ihm gelungen, ein sechsköpfiges Mitarbeiterteam aufzubauen, und mittlerweile verfügen die sechs größeren Krankenhäuser in Lettland alle über Teams für die Infektionsbekämpfung. Die lettische Regierung hat ihren Beitrag geleistet, indem sie die Krankenhäuser gesetzlich zu den von Dr. Dumpis geforderten und ausgearbeiteten Hygiene- und Infektionsbekämpfungsmaßnahmen verpflichtete. Ferner haben die Europäische Union und Norwegen den lettischen Krankenhäusern Mittel für die Einrichtung eines Frühwarnsystems für Krankenhausinfektionen sowie für die Schulung von Mitarbeitern zu dessen Betrieb zur Verfügung gestellt.
Problem verschärft sich weiter
„Wir können es jeden Tag sehen. Menschen sterben an diesen Infektionen, und wegen der antimikrobiellen Resistenzen greift das Problem rasant um sich. Mittlerweile gehört es zu den größten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit.“
„Auch wenn der Missbrauch von Antibiotika in Lettland nicht so weit verbreitet ist wie in anderen Ländern und Infektionen mit methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen in unseren Krankenhäusern seltener geworden sind, so sind andere bakterielle Infektionen doch weiter auf dem Vormarsch. Noch vor zehn Jahren gab es in unserem Krankenhaus nur zwei oder drei Arten von hochgradig antibiotikaresistenten Bakterien; heute sind es sieben. Dies ist eine hohe Zahl, denn trotz verbesserter Hygiene- und Screeningverfahren sind die medizinischen Verfahren heute stärker invasiv, wodurch sich ein höheres Infektionsrisiko ergibt; gleichzeitig schleppen immer mehr Patienten Bakterien aus anderen Ländern ein, in denen Antibiotikamissbrauch häufiger vorkommt. Dieses Problem macht vor Grenzen nicht Halt und ist in Lettland wie auch weltweit rasant auf dem Vormarsch. Ich bin überzeugt, dass wir noch mehr nationale Gesetze auf diesem Gebiet brauchen.“
Uga Dumpis
Dr. Uga Dumpis ist seit zehn Jahren Leiter der Abteilung Infektionsbekämpfung am Universitätsklinikum Pauls Stradins in Lettland. Er ist Mitglied verschiedener Netzwerke und Sonderarbeitsgruppen, die sich mit antimikrobiellen Resistenzen befassen, einem Thema, das ihn als Wissenschaftler und Kliniker gleichermaßen interessiert. Dr. Dumpis hat in Lettland, Schweden und dem Vereinigten Königreich Medizin studiert und kürzere Schulungen in Belgien, den Niederlanden und der Russischen Föderation absolviert. Er war in den 1990er Jahren Soros-Stipendiat an der Universität Oxford und erhielt im Jahr 2000 seinen Doktortitel von der Open University im Vereinigten Königreich.